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Das Museum Arbeitswelt in Steyr untersucht den Boom der lokalen Waffenindustrie ab 1914.
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Drohende Kriege sind Lokomotiven der Konjunktur. Ein Aspekt, der in den bisherigen Ausstellungen zum Gedenkjahr 1914 bisher wenig Beachtung fand, ist die Rüstungsindustrie. In Steyr geht man wenig überraschend einen anderen Weg - wenig überraschend deshalb, weil bis zum Ersten Weltkrieg die Stadt in Oberösterreich durch Aufrüstung zu einem bedeutenden Industriestandort angewachsen war. Neben den Pilsner Skoda-Werken in Böhmen war in Steyr eine der größten "Waffenschmieden" für Handfeuerwaffen der Monarchie. Während des Krieges kam das Maschinengewehr Schwarzlose hinzu, 35.485 Stück verließen zwischen 1914 und 1918 das Werk. "Sie mähten wie die Sensen im Maien", schrieb kurz nach Kriegsbeginn ein Soldat an der Ostfront über die Wirkung der MGs in sein Kriegstagebuch. Die aktuelle Sonderausstellung "Vom Boom zum Bürgerkrieg. Steyr 1914-1934" im Museum Arbeitswelt widmet sich dem Rüstungsboom vor und während des Krieges und zeigt auf vielen verschiedenen Ebenen die Auswirkungen der Kriegsindustrie.
Waffen schützen Waffen
Neben einem allgemeinen Teil, der die imperialistische Dimension des Ersten Weltkriegs sowie die auf Konfrontation ausgerichtete Balkan-Politik der Habsburger betont, kurz auf die Rolle der Intellektuellen an der Entfaltung der Kriegshysterie eingeht und sich in Bildern der Geburtsstunde des völkischen Nationalismus widmet, liegt der weitere Fokus der Ausstellung auf den Folgen für die Menschen an der Front und zuhause. Welche Auswirkungen hatte der Krieg auf die Arbeiter und Arbeiterinnen in einer Waffenfabrik? In Steyr gab es etwa verschärfte Sicherheitsvorkehrungen im Werk und in der Stadt, um die Produktion vor der zunehmenden aufmüpfigen Arbeiterschaft zu schützen. Tatsächlich kam es ab 1916 vermehrt zu Überfällen auf die Fabrik - allerdings von Hungernden, die Keilriemen stahlen, um diese dann am Schwarzmarkt gegen Essen zu tauschen. Unter den Gegenmaßnahmen waren ferner der rigorose Passzwang und Behörden, die gewerkschaftlich organisierte Arbeiter an die Front schickten.
"Wir sollen ins Gesicht oder in den Hals stoßen, aber in der Aufregung ist das schwer. Die Hände zittern und man sticht eher in Brust oder Bauch. Wenn man sie erwischt, brüllen sie wie die Schweine" beschrieb ein Soldat im September 1916 den Kampf mit dem Bajonett. Im Krieg begegneten die Arbeiter ihren Produkten wieder, ihr Zweck und ihre Wirkung werden daher auch in der Ausstellung einander gegenübergestellt.
Die politischen, sozialen und ökonomischen Folgen des Kriegs bis 1934 stehen wiederum in einem zweiten Teil im Zentrum der Ausstellung. Hierbei werden auch die Jahre zwischen 1914 und 1918 miteinbezogen, denn spätestens mit dem Ersten Weltkrieg war die Spaltung der Gesellschaft in zwei große politische Lager unumkehrbar geworden. Die Stadt Steyr steht exemplarisch für diese Konflikte, die Dualität spiegelt sich auch in der Gestaltung der Ausstellung wider: in Form einer Rednertribüne und einer Kirchenkanzel etwa.
Übersichtliche Schautafeln, viel Bildmaterial, interaktive Elemente und sorgfältig ausgewählte Originalobjekte aus der Zeit werden chronologisch präsentiert. Leider sind in den Schauräumen kaum Sitzmöglichkeiten für die Besucher vorhanden, was angesichts der inhaltlichen Dichte der Ausstellung durchaus wünschenswert wäre. Denn "Vom Boom zum Bürgerkrieg" eröffnet bisher weitgehend unbekannte Blickwinkel auf den Ersten Weltkrieg und die Erste Republik.
AUSSTELLUNG
Vom Boom zum Bürgerkrieg - Steyr 1914 bis 1934
Museum Arbeitswelt, Steyr
Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, bis Dezember 2015
Link: www.museum-steyr.at