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Peter Shub

Von Mathias Ziegler

Reflexionen
Peter Shub führt auf der Bühne im Wiener Museumsquartier einen fiktiven Hund Gassi...

Der amerikanische Weltstar Peter Shub erzählt von seiner abwechslungsreichen Karriere und spricht über Komik, Zirkus und typisch menschliche Charakterzüge. | Wiener Zeitung: Herr Shub, wie kommt man auf die Idee, Clown zu werden? | Peter Shub: Ich habe mir den Beruf nicht ausgesucht. Wie ich Clown wurde? Das kam so: Ich ging nach Paris, um dort Schauspiel zu studieren, und alle Leute haben gelacht über das, was ich gespielt habe. Die ernsten Rollen waren offensichtlich nichts für mich. Und dann habe ich ziemlich schnell herausgefunden, was meine wahre Berufung ist, der ich folgen musste: die Komik.


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So bin ich Clown geworden. Und habe mich seither ständig weiterentwickelt. Denn als Clown musst du ständig herausfinden und überprüfen, ob du lustig bist oder nicht.

Aber Sie waren im Leben nicht immer nur Clown?

Nein, ich war auch Golf-Caddy, Autowäscher, Kellner, Immobilienmakler, habe Soziologie studiert, in einer Nervenheilanstalt gearbeitet... Aber seit meinem 21. Lebensjahr kann ich davon leben, Menschen zum Lachen zu bringen.

Peter Shub. Foto: Jasmin Ziegler

Was sagten eigentlich Ihre Eltern zum Clown-Job?

Oh, mein Gott!

Aber Sie sind Ihren Weg unbeirrt gegangen. Und verdienen dabei offenbar gar nicht schlecht.

Nun ja, ich kann zumindest fünf Kinder und ein recht großes Haus erhalten. Wenn du gut bist, kannst du als Clown auch gut verdienen. Natürlich gehört auch Glück dazu. Aber man wird ja nicht Clown, weil man damit reich werden will.

Wie reagieren denn die Leute, wenn Sie sagen: ich bin ein Clown? Fragen Sie dann, ob Sie eine rote Nase haben, weiß geschminkt sind und zu große Schuhe tragen?

Ich bezeichne mich nicht als Clown, sondern als Entertainer, als Unterhalter. Freilich, wenn ich in einem Zirkuszelt auftrete, sehen mich die Leute als Clown. Und haben dann bestimmte Erwartungen: eben auch eine rote Nase oder zu große Schuhe. Aber ich trete nicht geschminkt auf. Und bringe die Leute trotzdem zum Lachen. Ich widerspreche bei meinen Auftritten ihren Erwartungen, ich erziehe das Publikum, zeige ihm, dass ein Clown mehr ist als bloß ein verkleideter Schauspieler.

Ist es denn schon einmal passiert, dass Sie das Publikum nicht zum Lachen bringen konnten?

Ja. Das ist schon passiert. Vielleicht wollten die Leute zwar lachen, aber sie haben den Witz, den ich darzustellen versucht habe, nicht verstanden. Es kann schon vorkommen, dass ich selbst etwas lustig finde, das Publikum allerdings nicht. Doch wenn sie meine Witze verstehen, dann lachen sie.

Es heißt, dass hinter jedem Clown eine traurige Persönlichkeit steht...

Ja, das habe ich schon oft gehört, und es mag auch auf einige Kollegen zutreffen. Vermutlich ist es jedoch ein stereotypes Vorurteil.

Was macht einen guten Clown aus? Gibt es eine Art Grundregelkatalog?

Um Leute zum Lachen zu bringen, muss man die menschliche Natur verstehen. Und die hat viele Facetten, viele verschiedenen Emotionen. Du musst für das Tragische genauso Verständnis haben wie für das Komische. Denn diese beiden Elemente liegen dicht beieinander. Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Einer meiner Lehrer in Paris hat einmal gesagt: Ein guter Clown hat den Verstand eines Schauspielers, das Herz eines Poeten und den Körper eines Akrobaten. Das ist eine ganze Menge. Ich habe zumindest einen Teil davon ( lacht ).

Gibt es Grenzen, die auch ein Clown nicht überschreiten darf?

Ein Clown muss in jedem Moment der Situation entsprechend agieren. Normalerweise will man ja nur so weit gehen, dass es noch für alle akzeptabel ist. Als Clown musst du die Regeln brechen. Daher musst du herausfinden, worin diese Regeln bestehen. Zum Beispiel bringen Eltern ihren Kindern bei, dass sie nicht mit dem Essen spielen dürfen. Aber die Menschen kommen in meine Vorstellungen und zahlen Geld dafür, um mir zuzusehen, wie ich jemandem eine Torte ins Gesicht werfe.

"Als Clown musst du die Regeln brechen. Daher musst du herausfinden, worin diese Regeln bestehen." Peter Shub im Gespräch mit "Wiener Zeitung"-Redakteur Mathias Ziegler. Fotos: Jasmin Ziegler

Haben verschiedene Kulturen auch unterschiedliche Zugänge zum Humor?

Natürlich. Denken Sie nur an die Österreicher und die Deutschen. Sie lachen, wenn man Witze über Hitler macht. Aber nicht, weil die Witze so lustig wären, sondern aus Nervosität. Das liegt in ihrer Geschichte begründet. Unter Hitler sind viele Menschen gestorben, ermordet worden, und das ist eigentlich nicht zum Lachen. Auch nicht der Wahnsinn einer Diktatur. Allerdings glaube ich, dass Menschen, je stärker sie unter Druck stehen, umso mehr ein Ventil brauchen. Sie brauchen die Komik als Ventil.

Ist es heute, in Zeiten der Krise, einfacher, die Menschen zu unterhalten?

Je mehr die Menschen leiden, desto mehr versuchen sie aus der Realität zu flüchten. Egal, ob in Zeiten der Krise oder in Zeiten des Erfolgs - die Menschen wollen immer Spaß haben. Das ist der Grund, warum wir hier sind, warum wir leben. Was auch immer du tust, es muss dir Freude machen. Wenn du die Freude verlierst, hast du schon verloren. Der Todfeind meines Berufsstandes ist die Langeweile. Egal, wie schrecklich dein Tag auch gewesen ist - wenn du ins Theater kommst, lässt du alles los. Die Menschen von allem Schrecklichen, Peinlichen, Unangenehmen zu befreien, das ist mein Job: Ich nehme sie mit auf eine Reise, entführe sie aus ihrem Alltag.

Wie lange haben Sie an Ihrer Rolle als Clown gefeilt?

Ich bin jetzt 52 Jahre alt - nun, ich würde sagen, ich habe rund 52 Jahre daran gearbeitet.

Ist das ein Learn-it-yourself-Job?

Man kann es sich selbst beibringen, oder in eine Clownschule gehen, wo Lehrer einem helfen, sich zu entwickeln. Aber es gibt keine Garantie. Entweder du bist lustig - oder nicht. Wenn du begabt bist, kannst du dein Potenzial mithilfe der Schule ausschöpfen. Der Lehrer kann dir helfen herauszufinden, wo deine Stärken liegen. In jedem Menschen steckt ein Komödiant. Allerdings finden viele Leute keinen Zugang zu ihrem Humor.

Mit welcher Art von Humor arbeiten Sie am liebsten?

Ich mache am liebsten Slapstick.

Wie ist Ihre Karriere - im Rückblick - verlaufen?

Ich würde sagen, sie hat sich geradlinig entwickelt.

Würden Sie es wieder so machen?

Ja, ich würde es genauso wieder machen.

Gibt es einen Moment, den Sie nie vergessen werden?

Ja, die Geburt meiner Kinder.

Sie sind vermutlich sehr viel unterwegs - leidet darunter nicht das Familienleben?

Ich könnte 365 Tage im Jahr auf Tournee sein, denn ich bekomme ausreichend Angebote. Aber ich tue es nicht, weil ich auch bei meiner Familie sein will. Ich mache rund 120 Shows im Jahr, dazwischen fliege ich so oft nach Hause wie möglich. Oder meine Familie kommt zu mir. Für meine Kinder ist es normal, dass ich viel unterwegs bin. Sie kennen es nicht anders. Freilich, wenn ich es ändern könnte, würde ich mehr Zeit mit ihnen verbringen.

Gibt es einen Kontinent, auf dem Sie noch nie aufgetreten sind?

Ich war schon überall.

Machen Sie überall dasselbe Programm?

Nein, da muss ich variieren, je nachdem, wo ich gerade bin. Es gibt nicht nur inhaltliche Unterschiede, auch das Timing ist unterschiedlich. In manchen Ländern brauchen die Leute länger, um meine Witze zu verstehen - zum Beispiel in Österreich ( lacht ). Aber den Clown gibt es überall auf der Welt?

Ja, in jeder Kultur gab und gibt es Clowns. Sie mögen nicht alle rote Nasen haben. Aber sie haben alle dieselbe Motivation, dasselbe Ziel.

Es gibt ja heutzutage auch spezielle Clownfrauen-Festivals. Welche Rolle spielen Frauen in der Szene?

Weibliche Clowns haben es schwerer als männliche. Es ist schwieriger für sie, lustig zu sein. Die Gesellschaft hat spezielle Regeln, spezielle Erwartungen. Das fängt schon bei den Kindern an. Buben dürfen wild sein und Regeln brechen; Mädchen müssen brav sein und den Regeln folgen. Davon ist auch das spätere Leben geprägt.

Aber es ist auch für eine Frau möglich, ein erfolgreicher Clown zu sein. Ich kenne einige sehr lustige Frauen. Aber, wie gesagt, es ist sehr hart, sehr schwer.

Hat der Zirkus im Laufe der vergangenen Jahrzehnte Veränderungen durchgemacht?

Ja. Man bekommt heute Popcorn in mehreren Geschmacksrichtungen. Und die Qualität der Zelte ist heute viel besser als früher - okay, das ist eine Geldfrage. Aber im Ernst: Im Zirkus wird heute auf viele Tiernummern verzichtet, und das finde ich sehr gut. Und immer mehr Clowns kommen dahinter, dass sie Späße machen können, ohne Kinder zu erschrecken.

Und der Clown selbst, hat auch er Veränderungen durchgemacht?

Die Qualität ist gestiegen. Auch die Erwartungen an einen guten Clown sind heute höher. Man muss als Clown nicht immer nur lustig sein. Ich versuche meinem Publikum auch den Geist der Poesie mitzugeben, versuche, die Menschen emotional zu berühren. Um das zu können, musst du zu 100 Prozent zufrieden mit dem sein, was du tust. Das Publikum spürt es, und es gefällt ihm. Manche Künstler machen zu viel auf der Bühne. Du musst die richtige Balance finden: so viel tun wie nötig, aber nicht zu viel.

Und haben Sie diese Balance gefunden?

Meistens finde ich sie. Aber manchmal geht alles schief. Ich bin dann aber gar nicht sehr unglücklich darüber. In der Schule, im ganzen Leben stecken wir doch manchmal in der Klemme - und versuchen dann eine Lösung zu finden. Ich glaube, die richtige Balance ist sehr wichtig - für Österreicher, für Deutsche wie für Amerikaner. Wenn wir die Balance verlieren, ist das ein Problem für uns. Wir versuchen dann möglichst rasch die Balance wiederzufinden.

Für einen Clown aber ist oft das Problem wichtiger als die Lösung. Als Clown provozierst du sozusagen das Problem. Diesen Aspekt finde ich sehr interessant. Du stehst dann auf der Bühne und hast ein Problem, für das du nicht gleich eine Lösung findest. Du bleibst dann, so lange wie du kannst, in dieser Situation.

Ist es eine Eigenart der westlichen Gesellschaft, dass sie die Balance so sehr braucht?

Ich glaube unsere gesamte Spezies braucht die Balance. Wir alle haben ja unseren Ursprung im Ozean. Eines Tages kam der Fisch an Land, kletterte auf einen Baum, fand dort eine Frucht und kostete sie. Und ihm wurde schlagartig klar: Hey, ich stehe hier, und es gefällt mir hier. Und dann begann er zu gehen. Und hielt dabei die Balance.

Ich glaube, es ist typisch menschlich, die Dinge in der Balance zu halten. Und es liegt in der Natur des Clowns, genau damit zu spielen. Mit dem Wissen, wie wichtig die Balance ist. Komik braucht Konflikte. Und ein Publikum, das ist auch sehr wichtig.

Sind Sie daheim auch komisch? Und auch, wenn Sie alleine sind?

Ja, ich mache in den verschiedensten Situationen Späße. Wenn ich alleine bin, kann ich ungestört lustig sein. Ich denke, das ist bei den meisten Menschen so.

Sehen Ihre Kinder eher den Vater oder eher den Clown in Ihnen?

Ich fürchte, ich bin für sie zu oft der Clown. Doch dann versuchen sie mich zu stoppen. Zum Beispiel, wenn wir zusammen im Restaurant sind, ist es ihnen schon peinlich, wenn ich ständig komische Sachen mache.

Michail Nikolajewitsch Rumjanzew war "Karandasch", Georg Spillner war "Nuk", Barry Lubin ist "Grandma" - ist es üblich, dass sich ein Clowndarsteller im Laufe seiner Karriere auf eine Rolle festlegt?

Es gibt verschiedene Arten von Clowns. Manche spielen erfundene Personen, andere spielen sich selbst. Ich zum Beispiel spiele mich selbst.

Spillner hat einmal gesagt: "Zum Clown kann man erst als reiferer Mensch werden." Und: "Humor kann man nicht erlernen." Stimmen Sie dem zu?

Lebenserfahrung hilft. Du musst schon ein wenig mehr erlebt haben als ein Teenager, glaube ich.

Hat jeder Mensch Humor?

Sicher, ja, auf jeden Fall.

Kann also jeder Mensch Clown werden?

Es ist nie zu spät, um damit zu beginnen. Man muss es nur wollen. Viele Leute meinen, sie könnten nicht lustig sein. Ich mache viele Workshops, und es ist immer wieder wundervoll, wenn ich sehe, wie Menschen, die es sich niemals zugetraut hätten, plötzlich entdecken, auf welche Weise auch sie lustig sein können. Manche beginnen erst dann richtig zu leben. Wenn Sie in Ihrem Alter mit Ballett anfangen wollten, wäre es wohl ein bisschen spät dafür. Aber um Clown zu werden, ist man nie zu alt. Und Clownsein ist ein Lebensberuf. Ich glaube, ich werde nie in Pension gehen.

Zur Person

Peter Shub wurde 1957 in Philadelphia geboren. Er hat mit vielen führenden internationalen Organisationen und Künstlern zusammengearbeitet, wie etwa der RTL Samstag Nacht Comedy, der Köln Comedy Schule oder der Philadelphia Opera Company. Mit Roman Polanski trat er im Theaterstück "Amadeus" auf und bekam beim Internationalen Theater Festival in Cannes 2001 den Preis der Jury für sein Comedy-Solo "Nice Night for an Evening". Auch in der aus Montreal weltweit übertragenen Fernsehsendung "Just For Laughs" war er zu sehen. Zirkusse aus aller Welt, wie Roncalli aus Deutschland, der New Yorker Big Apple oder der kanadische Cirque Du Soleil haben Shub langjährige Verträge angeboten. Er ist Preisträger des Silver Clown Award des internationalen Monte Carlo Circus Festivals.

Er hält Clown-Workshops in verschiedenen europäischen Ländern. Mit seiner bunten Mischung aus Pantomime, Slapstick und gesprochener Comedy in deutsch-englischem Kauderwelsch gastiert Shub noch bis 19. Juli im Rahmen von "Clowns - Die Kunst des Lachens" im Wiener Museumsquartier.