Zum Hauptinhalt springen

Petitionsausschuß: Gremium ohne Kompetenzen

Von Ine Jezo-Parovsky

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Mit langwierigen Verhandlungen müssen die Mitglieder des Petitionsausschusses nie rechen. Das Gefühl, etwas als erledigt abhaken zu können, haben die Abgeordneten dort aber selten. Zwar wurde die

Einrichtung dieses Ausschusses zur Behandlung der Anliegen von Bürgerinitiativen vor rund 10 Jahren als großer Fortschritt gefeiert. Kompetenzen hat er bis heute praktisch keine. Er kann vor allem

keine selbständigen Anträge einbringen. Ein Umstand, der schon seit der Gründung dieses Ausschusses für heftige Kritik sorgte. Zahlreiche Vorstöße, diese wichtige Anlaufstelle für Bürgeranliegen

aufzuwerten, scheiterten aber.

Jetzt scheint sich mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Parteien tatsächlich ein Silberstreif am Horizont abzuzeichnen. Die derzeitige Vorsitzende des Petitionsausschusses, die SPÖ-Abg. Brunhilde

Fuchs, zeigte sich in der Sitzung am 19. März dieses Jahres jedenfalls optimistisch. Es gebe, so betonte sie, durchaus konstruktive Gespräche und Vorschläge, um diesen Ausschuß effektiver zu

gestalten. Fuchs hofft, daß die nächste Legislaturperiode wesentliche Verbesserungen bringen könnte.

Details konnte und wollte sie allerdings nicht verraten, um laufenden Verhandlungen nicht vorzugreifen. Eines aber steht für sie fest: Es könne nicht weiterhin so sein, daß der Petitionsausschuß

nicht viel mehr tun kann, als Gutachten einzuholen und Petitionen schließlich an andere Fachausschüsse weiterzuleiten.

Minutentakt

Wie Sitzungen des Petitionsausschusses üblicherweise verlaufen, zeigte sich auch an diesem besagten 19. März. Trotz eines Arbeitspensums von sage und schreibe 27 Tagesordnungspunkten aus völlig

unterschiedlichen Problembereichen wurde nur eineinhalb Stunden lang beraten. Und das aus einem ganz einfachen Grund: Was hier getan werden kann, ist meistens schnell erledigt.

So etwa fordern die Mountainbiker die Freigabe der Forstwege. Ihre Petition wurde an den Verfassungsausschuß verwiesen. Zeitaufwand für Diskussion und Beschluß: Rund zwei Minuten. Abstand nehmen

mußte man von der Forderung nach einem sofortigen Stopp der Rechtschreibreform. Denn die Rechtschreibreform ist ein Abkommen und kein Gesetz. Zeitaufwand: Rund vier Minuten.

Zum Anliegen der Vereine, die durch eine neue Regelung eine Verbürokratisierung des Vereinslebens befürchten, werden Stellungnahmen vom Innen- und Justizressort eingeholt. Zeitaufwand: Rund sechs

Minuten. Zur Behandlung der Forderung nach einer Bekämpfung des sexuellen Mißbrauchs von Kindern will man Statistiken über die Auswirkung der derzeitigen Gesetze einholen. Zeitaufwand: Rund drei

Minuten. Zur Petition für die "Abschaffung der Exporterstattung für Lebendschlachttierexporte" wird die Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums eingeholt. Zeitaufwand: Rund zwei Minuten.

Die Bürgerinitiative betreffend "Verbesserung des Vollzuges der Tiertransportgesetze" wurde an den Verkehrsausschuß verwiesen. Zeitaufwand: Rund zwei Minuten.

Heikles Thema

Eine etwas ausführlichere, inhaltliche Diskussion gab es nur zu einem Tagesordnungspunkt: Zur Bürgerinitiative "Nein zur Bio-Medizin-Konvention", die von allen fünf Fraktionen unterstützt wird.

Nicht, weil der Petitionsausschuß in dieser Angelegenheit eine handfeste Entscheidung treffen hätte können, sondern weil es den Abgeordneten ein besonderes Anliegen war, Gedanken zu den dabei

aufgeworfenen Fragen auszutauschen.

Menschenversuche

Diese Bürgerinitiative hat es sich zum Ziel gesetzt, Österreichs Ratifizierung eines Europaratsbeschlusses vom November 1996 zu verhindern. Damals verabschiedete das Ministerkomitee des

Europarates das "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin." Und zwar ohne die Stimmen von Belgien, Polen und

Deutschland. Dort hatten Menschenrechtsorganisationen heftigen Widerstand geleistet und darauf verwiesen, daß der Titel vielversprechend klinge, der Inhalt der Konvention aber nichts Gutes ahnen

ließe. Geschaffen wurde die Regelung, um der Forschung Grenzen zu setzen und Mindeststandards festzulegen. Kritiker sind überzeugt davon, daß genau das Gegenteil eintreffen und dem Mißbrauch Tür und

Tor geöffnet werden könnte. Denn laut Konvention soll es Ärzten und Forschern in Zukunft erlaubt sein, nichteinwilligungsfähige Patienten "ausnahmsweise" für medizinische Eingriffe und Versuche zu

verwenden und ihnen regenerierbares Gewebe, wie zum Beispiel Knochenmark, zu entnehmen. Was die Ausnahme ist, bestimmen aber die Forscher. Betroffen davon wären Geisteskranke, Koma-Patienten,

Behinderte, Altersdemente oder andere Personen, die nicht zu Entscheidungen fähig sind.

Der perfekte Mensch

Zu heftigen Protesten kam es in Deutschland auch wegen eines Passus, der Versuche an Embryonen regelt. Sie dürfen zwar nicht eigens zu Forschungszwecken erzeugt werden. Bei überschüssigen

Embryonen von künstlichen Befruchtungen sind aber Versuche erlaubt. Eingriffe in die Keimbahn sind verboten, außer sie ergeben sich rein "zufällig". Diese Bestimmung, so warnen Moraltheologen, könnte

dazu führen, daß Forscher sich an die Erzeugung des "idealen menschlichen Wesens" heranwagen.

Fortschritt oder Rückschritt?

Alles in allem eine äußerst umstrittene Regelung, die bis jetzt nur von der Slowakei und vom Zwergstaat San Marino ratifiziert wurde. Die ÖVP-Abg. Maria Kallat meinte dazu, daß die Konvention für

viele europäische Länder einen Fortschritt darstelle. Das seien nicht nur die osteuropäischen Länder, sondern auch Länder wie England und Frankreich, denen diese Bestimmungen in mühsamen

Verhandlungen abgerungen werden mußten. Freilich, so betonte Kallat, sei es wichtig, daß die hohen, österreichischen Schutzstandards beibehalten oder sogar noch verbessert werden.

Die Grüne Abg. Theresia Haidlmayr äußerte die Befürchtung, daß eine Ratifizierung der Konvention die Standards in Österreich senken könnte. Denn, so Haidlmayr, dort, wo es um Macht und um Geld geht,

würden Standards sehr schnell nach unten revidiert. Was zur Folge hätte, daß behinderte Menschen zu Forschungszwecken mißbraucht werden.

Entsetzt von dieser Regelung war auch der Freiheitliche Abg. Harald Fischl, der selbst in der Altenbetreuung engagiert ist. Für ihn sind viele Bestimmungen des Abkommens nichts anderes als eine

"furchterregende Vision". Fischl forderte die österreichische Regierung auf, diesen Tendenzen entgegenzuwirken, denn es nütze nichts, "gute Gesetze zu machen und gleichzeitig Menschenversuche zu

standardisieren."

Erinnerungen

Strikte Ablehnung auch bei der Liberalen Abg. Klara Motter. Sie befürchtet eine neuerliche Diskussion um lebenswertes und nicht lebenswertes Leben. Die Mißachtung der Menschenrechte von

Geisteskranken, die grausamen Menschenversuche des Dritten Reiches hat sie noch miterlebt. Ihr flammender Appell: "Ich bin noch ein Kind aus dieser Zeit", so Motter, "und ich habe noch Erinnerungen

an Menschen, die abgeholt wurden, weil sie geistig behindert waren, eben zu diesem Mißbrauch und ich glaube, wir sollten alles tun, daß das nie mehr vorkommt!"

Schwere Bedenken, die bei den Sozialdemokraten auf fruchtbaren Boden fielen. Der SPÖ-Abg. Johannes Jarolim · er stand der Konvention schon immer skeptisch gegenüber · schlug vor, die Problematik der

Einhaltung von Menschenrechten im Justizausschuß zu besprechen und dort ein ausführliches Expertenhearing abzuhalten. Was alle anderen Parteien begrüßten.

Gilt es doch auch zu klären, ob arme Länder die Konvention nicht als Freibrief für Menschenversuche verstehen könnten, um sich Wirtschaftsstandorte für neue Forschungsgebiete zu sichern.Õ

Ine Jezo-Parovsky ist Mitarbeiterin der ORF-Parlamentsredaktion