Zum Hauptinhalt springen

Pferdewagen trifft Luxuslimousine

Von Petra Medek

Europaarchiv

Mangel an Arbeitskräften könnte Wachstum dämpfen. | Euro soll schon 2012 rollen. | Bukarest. In Bukarest herrscht hektisches Treiben. Auf der mehrspurigen Allee, die zu dem auf einer Anhöhe gelegenen Ceausescu-Palast führt, scheint sich der Stau nie aufzulösen. Alte osteuropäische Fahrzeuge reihen sich mit den neuesten Pkw-Modellen in den alltäglichen Stau ein. Ein ganz anderes Bild bietet sich nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt. Dort, wo nur die Hauptstraße geteert ist und sich kleine, baufällige Häuser aneinander reihen, prägen Pferdewagen das Straßenbild.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Rumänien ist ein Land vielschichtiger Gegensätze. In den Städten wird renoviert und investiert, hier herrscht Aufbruchstimmung. Nicht zuletzt die Präsenz vieler internationaler Investoren zeigt die Hoffnung, dass bald eine kaufkräftige Mittelschicht entsteht.

In den bitterarmen ländlichen Gegenden liegt dagegen die Arbeitslosenquote teilweise bei bis zu 20 Prozent, sagt Rumäniens Finanzminister Sebastian Vladescu. Die landesweite Durchschnittsquote von heuer rund sieben Prozent ist wenig aussagekräftig, denn die Rumänen suchen in vielen Bereichen händeringend nach Arbeitskräften. "Allein 500.000 fehlen derzeit im Bausektor", weiß der österreichische Handelsdelegierte in Rumänien, Walter Friedl.

Erdbeeren ernten statt Hausübung korrigieren

Laut Schätzungen arbeiten derzeit zwischen zwei und vier Millionen Rumänen im Ausland. Neuesten Untersuchungen zufolge haben etwa zwölf Prozent von ihnen schon außerhalb ihres Heimatlandes gearbeitet, vor allem als Haushaltshilfen oder in der Landwirtschaft. Jede zehnte rumänische Familie wird von Angehörigen unterstützt, die im Westen eine Job angenommen haben.

Hintergrund ist das meist tiefe Lohnniveau in Rumänien: So ist es keine Seltenheit, dass Lehrer, die sich ihr karges Einkommen nur durch Nachhilfestunden aufbessern könnten, lieber in Spanien als Erdbeerpflücker arbeiten, weil sie dort bedeutend besser verdienen.

"Der Mangel an Arbeitskräften und Fachkräften könnte für uns problematisch werden", unterstreicht der Finanzminister. Die boomende rumänische Wirtschaft könnte dadurch einen empfindlichen Dämpfer erhalten.

In die Europäische Union startet Rumänien jedoch zunächst mit vielversprechenden Daten: Das Wirtschaftswachstum soll heuer und auch im nächsten Jahr bei rund sechs Prozent liegen, durch den überraschend hohen Zuwachs sind 2006 auch die Steuereinnahmen besser als erwartet ausgefallen, freut sich Vladescu. Auch die Einführung der Flat Tax in der Höhe von 16 Prozent im Vorjahr hat sein Land aus seiner Sicht in eine gute Position gebracht. Die Inflation soll unter acht Prozent ausmachen, und die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen könnte 2007 auf ein neues Rekordniveau klettern.

Mit diesen positiven Vorzeichen treten die Rumänen der EU bei - und erhoffen sich davon einen Schub nach vorne. Die Mitgliedschaft in der Union sollte die Abwanderung von Arbeitskräften stoppen, meinte erst kürzlich der Vize-Chef der rumänischen Notenbank, Christian Popa, in einem Interview.

Große Hoffnungen setzt das Land in die Fördergelder: Bis zum Jahr 2013 sollen mehr als 30 Milliarden Euro aus den EU-Töpfen nach Rumänien fließen.

Selbstversorger auf dem Land

Viel zu tun gibt es vor allem im Bereich Landwirtschaft: Hier stehen acht Milliarden Euro für Land- und Forstwirtschaft, vier Milliarden für die so genannten Hektarprämien und 268 Millionen für Fischereiwirtschaft von europäischer Seite zur Verfügung. Rund ein Drittel der Bevölkerung Rumäniens ist in der Landwirtschaft tätig, was heißt: Sie leben von dem Stück Land, das sie besitzen. Das Finanzministerium schätzt, dass von diesem Drittel etwa 90 Prozent Selbstversorger sind und keine Steuern bezahlen. Sie werden damit auch in keiner Arbeitslosenstatistik erfasst.

Strukurreformen sind dringend nötig, um die landwirtschaftlichen Betriebe wettbewerbsfähig zu machen. So plant die rumänische Regierung, kleine Betriebe zusammen zu legen, um in der Landwirtschaft eine Mittelschicht zu schaffen, erklärt Dacian Ciolos, Berater des Landwirtschaftsministers in EU-Angelegenheiten.

Das ehrgeizigste Ziel scheint aber die baldige Einführung des Euro: Schon im Jahr 2012, spätestens 2014 will Rumänien zur europäischen Gemeinschaftswährung wechseln.