Wien. (Apa) Wirtschaftminister Martin Bartenstein (V) möchte das Mindesteinkommen für ausländische Pfleger auf 1200 Euro senken, um dem Pflegenotstand Herr zu werden - Koalitionspartner BZÖ ist dagegen. Obmann Peter Westenthaler sprach bei einer Pressekonferenz von "Lohndumping", auch Sozialministerin Ursula Haubner (B) lehnte die Maßnahme ab und plädierte dafür, den Pflegebedarf mit heimischen Kräften zu bewältigen.
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Sowohl Westenthaler als auch Haubner forderten, den Beruf Pfleger als Lehrberuf und als Gewerbe zu etablieren. Der Vorschlag Bartensteins sei "der falsche Weg", meinte der BZÖ-Chef. Er bedeute ein "Angebot an Billigstpflegekräften" aus dem Ausland, nach Österreich zu kommen. Die Möglichkeit, den Pflegeberuf künftig als Lehre und als selbstständigen Beruf ausüben zu können, würde mehr Österreichern den Zugang zum Markt eröffnen, glaubt Westenthaler.
Mit der Einführung der Pflege als selbstständigen Beruf könnten die rund 40.000 bis dato illegal im Pflegebereich beschäftigten Ausländer künftig mittels Gewerbeschein legal in Österreich anmelden, meinte er. Haubner sprach sich zudem dafür aus, das "Pflegegeld gemeinsam mit dem Pflegescheck zu forcieren". Die Behindertensprecherin des Freiheitlichen Parlamentsklubs-BZÖ, Helene Partik-Pable, unterstützte wiederum den ebenfalls von der ÖVP vorgebrachten Vorschlag eines Au-pair-Modells.
Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen sprach von einer "Pflegenotsituation" in Österreich und betonte, dass es ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland in vielen Pflegebereichen wesentlich schlechter aussehen würde. Die von Bartenstein vorgeschlagene Senkung der Einkommensgrenze ist für ihn nur eine "Untergrenze".
Pflege sollte mehr sein als "warm, satt und sauber"
Kritik am bestehenden System übte der auf Gesundheitsökonomie spezialisierte Unternehmensberater Christian Bauer: Österreich sei in punkto Pflegefälle "auf die kurzfristige Zukunft nicht vorbereitet", meinte er. Er sprach sich für eine qualitative und quantitative Verbesserung der Altenpflege und eine Erhöhung des Pflegegeldes aus.
In den kommenden Jahrzehnten werde die Zahl der Menschen über 75 - dem typischen "Pflegealter" - stark zunehmen, rechnete Bauer vor. 2005 lag die Zahl etwa bei 620.000 Personen, 2030 würden bereits 970.000 über 75 sein. Brauchen davon 20 Prozent eine pflegeintensive Betreuung, bedeute das mindestens 350 neue Einrichtungen, die gebaut werden müssten. Ein teures Unterfangen, denn laut Bauer kostet jeder neu zu errichtende Platz 80.000 bis 100.000 Euro, für 100 Betten wären das also acht bis zehn Mio. Euro.
Er plädierte dafür, die Ansprüche an die Pflege nicht nur auf den Grundsatz "warm, satt und sauber" zu beschränken. Vielmehr müssten in den Pflegeheimen vermehrt aktivierende und reaktivierende Pflegetätigkeiten sowie bedarfsgerechte Therapie und Freizeitangebote bereitgestellt werden.