Schattenwirtschafts-Forscher hält wenig von "Aktion scharf" der Regierung.
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"Wiener Zeitung": 2014 wurde um 21,35 Milliarden Euro gepfuscht, sagen Sie. Ich glaub Ihnen nicht, dass man den Pfusch auf die zweite Kommastelle genau berechnen kann.Friedrich Schneider: Auf die Kommastelle genau geht das auch nicht, diesen Wert spuckt der Computer aus. Die Abweichung beträgt plus/minus 15 Prozent. Pfusch wird meist bar bezahlt. Wir befragen seit 1996 jährlich 1000 Bürger anonym nach ihrem Bargeldverhalten. Die Menschen geben uns bereitwillig Auskunft.
Kritiker meinen, es sei kein Wunder, dass Sie der einzige "Pfuschforscher" sind.
Ich fühle mich sattelfest. Deutsche Kollegen kommen auf ähnliche Werte wie ich.
Sie vermessen die europäische Pfuscher-Welt. Österreich ist demnach auf Platz 4. Werden wir durch die Steuerreform EU-Musterschüler?
Die Steuerreform wird den Pfusch kurzfristig ganz sicher reduzieren, und zwar um ein bis zwei Milliarden Euro. Der Grund ist simpel: Wenn die Leute mehr im Börsel haben, weil sie weniger Steuern zahlen, ist der Druck geringer, schwarz dazuzuverdienen. Es ist ja nicht lustig, wenn die anderen schon in der Disco sind und ich als Fliesenleger stattdessen das Bad des Freundes verlege.
Beschreiben Sie typische Pfuscher.
Der Fliesenleger, Maler, Architekt, Lehrer: Es sind ganz normale Arbeitnehmer, die im Monat zwischen 300 bis 400 Euro dazuverdienen. Es gibt 800.000 bis 1 Million Nebenerwerbspfuschern.
Wie stark wirkt die Aktion scharf mit Registrierkasse & Co?
Mich stört der Generalverdacht. Der Staat nimmt an, in jedem Bürger steckt ein Steuerhinterzieher. Fällt uns nichts Besseres ein als Strafen? Ich sage: Weg vom Überwachungsstaat.
Generalverdacht ist doch ein Totschlagargument, das gerade jene bemühen, die es sich im Graubereich gemütlich gemacht haben.
80 bis 85 Prozent zahlen korrekt ihre Steuern. Jetzt stellt sich die Frage, ob man auf alle eindreschen muss, um 15 Prozent zu erwischen. Wir sind jetzt schon eines der steuerehrlichsten Länder.
Das ist widersprüchlich. Sie haben noch jede Pfusch-Bilanz mit der Forderung geschlossen, die Politik möge Schwarzarbeit stärker bekämpfen.
Ja, aber mit Anreizen. Etwa mit einem Handwerksbonus von 100 Euro, den man von der Finanz zurückbekommt. In Luxemburg werden über bestimmte Zeiträume alle arbeitsintensiven Dienstleistungen wie Altbausanierung von der Mehrwertsteuer befreit. Mein Lieblingsbeispiel aus Südeuropa: Wer beim Wirten eine Rechnung ohne Mehrwertsteuer bekommt, braucht sie nicht zu bezahlen. Das wirkt besser als jede Registrierkassenpflicht.
Wie viel zusätzliches Steuergeld bringt die Registrierkasse?
Die Maßnahme bringt höchstens 300 Millionen Euro.
Was halten Sie von der leichteren Einschau in Konten?
Die Maßnahme ist noch wenig konkret. Ich möchte nicht, dass jemand in mein Privatkonto schauen kann. Das ist meine Sache, ob ich mein Geld meiner Tochter gebe oder versaufe.
Reinschauen kann die Finanz nur bei Verdacht.
Ein Verdacht kann schon entstehen, wenn ich einen "Sprung" in der Steuererklärung habe. Sagen wir, meine Einnahmen steigen durch neue Gutachten stark und die Finanz fragt sich, warum hat der Professor Schneider plötzlich so hohe Zuflüsse?
Früher kritisierten die Experten die durchs Bankgeheimnis geschützte Steueroase Österreich. Jetzt regen sich alle über den gläsernen Menschen auf. Auch nicht logisch.
Ich war immer für internationale Datenabkommen über den Austausch von Konten und Zinserträgen. Aber das ist was anderes als ein Finanzbeamter, der nachschaut, was der Professor Schneider eingenommen hat.
Würde das Ende des Bargeldes die Schattenwirtschaft austrocknen?
Ich schätze Leute wie den deutschen Professor Bofinger. Aber solche Forderungen sind Topfen ersten Ranges. Das Bargeld ist der letzte Hort der Privatheit. Was Sie im Geldbörsel haben, wissen nur Sie und das soll so bleiben. Wenn man es abschafft, werden wir komplett gläsern.
Hilft es gegen Pfusch oder Mafia?
Den Pfusch würde es erschweren aber es gibt ja Tauschgeschäfte. So könnte der Freund vom Fliesenleger mit seiner Bankomatkarte das Gewand für den Fliesenleger bestellen. Die organisierte Kriminalität funktioniert zu 99 Prozent ohne Bargeld. Wer kann heute mit ein paar Millionen im Koffer in die Bank gehen? Nur der Drogenhandel funktioniert noch zu einem gewissen Grad mit Bargeld.
Wie viel Pfusch verträgt ein Land?
Die acht Prozent, die wir haben, verträgt Österreich, in dem Sinn, dass die Staatsfinanzen nicht erodieren. Das Niveau von 20 auf 15 Milliarden Euro zu senken, wäre gut.
Ist Pfusch gut fürs Wachstum?
Pfusch vermehrt den Wohlstand. Ohne die Milliarden aus der Schattenwirtschaft gebe es viele Einfamilienhäuser nicht. Denn ohne Rechnung könnten sich die Menschen vieles nicht mehr leisten. Solange die Steuern hoch sind, wird es Pfusch geben.
Wer so redet, lässt selbst pfuschen?
Das wäre jetzt die Schlagziele (lacht). Ich erzähle Ihnen eine Anekdote: Ich habe an einem Dienstag meine Küche ausmalen lassen. Dann kam mein Nachbar und sagte: Wie heißt die Firma, die unter der Woche pfuscht? Als ich sagte, das ist auf Rechnung, schüttelte er den Kopf und empfahl mir einen Maler.
Womit Sie uns Ihre große Ehrlichkeit demonstriert hätten. Glauben Sie, dass Putzen durch die Steuerreform steuerlich sauber wird?
Nein. Bei der privaten Reinigung sind 95 Prozent in die Schattenwirtschaft ausgelagert. Es bräuchte einen Dienstleistungsscheck als Alternative.
Den gibt es ...
Aber der müsste in jeder Trafik einlösbar sein.
Wer putzt bei Ihnen?
Ein Reinigungsdienst.