Leonardo da Vinci war erster Bioniker. | Wien. Und es geht doch! Bio(logie) lässt sich mit (Tech)nik verknüpfen- wobei erstere immer einen Schritt voraus ist. Beide sind vereint in der Bionik, die Erfindungen der Natur auf die Technik projiziert.
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In der Vorwoche hat ein Forscherteam unter Mitwirkung des Erich-Schmid-Instituts für Materialwissenschaften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein neues Simulationsmodell entwickelt: Nach dem Gitterstruktur-Prinzip des Gießkannenschwammes Euplectella sollen bruchsichere Werkstoffe konstruiert werden (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Dieser Blick ins Detail ist nicht unbedingt notwendig, um Bionik zu entdecken. Oft liegt sie alltäglichen Dingen zugrunde. Der erste Bioniker war Leonardo da Vinci (1452-1519), der penibel und jahrelang den Vogelflug beobachtete, analysierte und-danach die erste Flugmaschine konstruierte. Der englische Luftfahrtforscher Sir George Cayley (1773-1857) schaute ebenfalls in die Luft, um die Samen des Löwenzahns beim Segelflug zu beobachten. Nach dieser Erfindung der Natur baute er den ersten Fallschirm. Raoul Heinrich Francé (1874-1943) war von dem Prinzip der Mohnkapsel, in reifem Zustand prall gefüllt mit Samen, derartig fasziniert, dass es ihn gar auf die Idee des Zuckerstreuers brachte- wofür ihm 1920 das erste deutsche Patent im Bereich Bionik erteilt wurde.
"Lotus-Effekt" in Lack
Die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte, vor allem der Fortschritt in der Nanotechnologie, erlaubte neue und verbesserte Methoden, Natur zu imitieren. Die Bionik drang in die Gebiete Architektur und Design, Medizin und Sensorik vor und beeinflusste die Herstellung von Robotern und Werkstoffen.
Der in den 70er-Jahren entdeckte "Lotus-Effekt", der in der Herstellung von Schmutz abweisenden Lacken Verwendung findet, hat seinen Ursprung in der Lotusblume: Ihre Blätter werden nahezu nie von Pilzen, die Feuchtigkeit lieben, befallen, obwohl sie ständig mit Wasser in Berührung kommen-spezielle Wachse lassen Wassertropfen abperlen und halten die Blätter sauber. Zu einem der alltäglichen Dinge zählt der Klettverschluss. Sein Pendant in der Natur ist die Frucht des Klett-Labkrauts, die mittels feiner Widerhaken an vielen Oberflächen hängen bleibt. Ähnlich sind die Haftscheiben an den Zehen der Geckos bestückt- nur sind es bei den kleinen Reptilien Millionen winziger Widerhäkchen auf Querlamellen, die Erstaunliches bewirken: Selbst senkrechte Glaswände können mühelos erklettert werden. Die Bioniker haben sich diese Eigenschaft abgeschaut und lassen statt Geckos kleine Kletterroboter in Atomreaktoren herumspazieren, um Messungen durchzuführen.
Hai-Haut bei Tauchern
Auch Aero- und Hydrodynamik hat nicht ursprünglich der Mensch erfunden. Vielmehr war es die Körperform von Fischen und Pinguinen, die das Geheimnis des geringsten Luft- und Wasserwiderstandes lüftete. Die Hautschuppen von Haien sind mit feinen Rillen versehen, die Reibung reduzieren- ein praktischer Effekt für die Oberfläche von Schwimmanzügen, die nach diesem Muster gestrickt ist.
Ist uns die Tier- und Pflanzenwelt mit ihren Erfindungen überlegen? - Einzig der Mensch kann sie in Technik verwandeln.