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200 Wörter für eine wissenschaftliche Idee: Was auf den ersten Blick wie eine Groteske im absurden Theater des Effizienzdenkens wirkt, hat auf den zweiten Blick tieferen Sinn: Forscher um den US-Physiker David Harris haben ein Open-Access-Journal gegründet, das ohne Umschweife zum Punkt kommen will. Im online erscheinenden "Journal of Brief Ideas" (JBI) können Wissenschafter jeder Fachrichtung kurz und bündig Ideen zusammenfassen, die sie noch nicht publiziert haben oder anregen wollen. "In den Wissenschaften stockt der Informationsfluss wegen der strengen Vorgaben für Studien und langen Studiendauern. Folglich werden viele gute Ideen nicht veröffentlicht. Doch ein geheim gehaltener Geistesblitz kann sich nicht entfalten. Es erscheint besser, nicht unmittelbar verwertbare Ideen zitabel darzustellen", fasst Harris zusammen. Mit der maximalen Textlänge wolle er nicht etwa an das 140-Zeichen-Limit des Kurznachrichtendienstes Twitter erinnern, sondern daran, dass Knappheit eine Tugend sein kann. Schon Ludwig Wittgenstein forderte in einem Debattierklub der Universität Cambridge Anfang des 20. Jahrhunderts, man möge die Präsentationen wissenschaftlicher Arbeiten auf sieben Minuten beschränken und handelte zum Beweis die Frage "What is Philosophy?" in vier Minuten ab.
Ob die im "Journal of Brief Ideas" vorgestellten Ideen allerdings an jene des österreichischen Philosophen heranreichen, ist fraglich. Thematisch findet sich hier vieles von der menschlichen Frühgeschichte über numerische Analyse bis hin zu Transport. Nicht jeder Autor kommt allerdings - trotz gebotener Kürze - zum Punkt.