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"Was ist los mit dem Kapitalismus?" - über diese Frage unterhielt sich Peter Sloterdijk am Sonntagabend im "Philosophischen Quartett" (ZDF) mit Rüdiger Safranski, Norbert Bolz und Hans Olaf Henkel. Zum wirklich erhitzten Streit kam es dabei nicht, aber doch zu moderat vorgetragenen Meinungsverschiedenheiten. "Das Raubtier Kapitalismus" müsse gezähmt werden, meinte Safranski - was Henkel mit dem Hinweis auf "das Herdentier Sozialismus" konterte, das aus seinem ewigen Einheitstrott aufgescheucht werden müsse. Systemtheoretisch abgeklärt gab sich der Medienwissenschaftler Norbert Bolz: Er erklärte, die Politik habe keine Lösungen mehr anzubieten für die Probleme, die der Kapitalismus immerzu schaffe. Und als Ausweg aus diesem Dilemma empfahl er nur Eines: analytische "Kälte".
Neben diesen tiefgekühlten Theorien wirkte Hans Olaf Henkel wie ein Missionar: Immer wieder versicherte er, kein System sei besser als die "Marktwirtschaft", und im Übrigen war er der Meinung, dass sich die Marktwirtschaft nur mit Menschenrechten und Demokratie zusammen verwirklichen lasse. Im Unterschied zu den Philosophen traute der einzige Praktiker in der Runde dem Kapitalismus also weltverbessernde Wirkungen zu. Merkwürdig war nur, dass er dabei so verbissen und vergrämt dreinschaute, während Norbert Bolz in durchaus heiterem Ton erläuterte, warum uns nicht zu helfen ist. Tonfall und Gesichtsausdruck widerlegten also den Inhalt der Reden, und die Redenden selbst schienen diese Diskrepanz nicht einmal zu bemerken.