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Philosophie zum Frühstück

Von Hermann Schlösser

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Normalerweise halte ich es mit dem Fernsehen wie mit dem Alkohol: niemals vor Sonnenuntergang. Am vergangenen Freitag bin ich diesem Prinzip einmal untreu geworden. Titel wie "Hör mal, wer da hämmert!" oder "Volle Kanne, Susanne" vermochten mich zwar nicht zu begeistern, aber "Sternstunde Philosophie" (3sat) klang immerhin interessant.

Ein Philosoph trat in diesem Programm des Schweizer Fernsehens zwar nicht auf - wohl aber der sehr eloquente deutsche Anglistikprofessor Dietrich Schwanitz. Er unterhielt sich mit Klara Obermüller über die Krise der Männlichkeit. Schwanitz hat kürzlich ein Buch mit dem Titel "Männer" publiziert, und wie das so üblich ist, machte er nun seine Thesen - und damit sein Buch - dem Fernsehpublikum schmackhaft. Die Männer, so meinte er, seien mittlerweile ärmer dran als die Frauen, denn in unserer Gesellschaft gebe es kein positives Bild von Männlichkeit mehr. Und er fragte sich, wo all die Männerträume von Krieg und Sieg und Heldentum hingekommen seien, nachdem sie in der liberalen Zivilgesellschaft nicht mehr akzeptiert würden. So plauderte der Professor dahin und wirkte dabei kein bisschen arm, sondern souverän und zufrieden. Und zufrieden war auch ich mit der anregenden Fernsehstunde am Vormittag.

Zum Frühstücksfernseher werde ich mich trotzdem nicht entwickeln. Denn wenn ich ehrlich bin, finde ich das TV-Schauen am Vormittag unanständig. Das Fernsehen ist ja ein Genussmittel, darf also erst nach getaner Arbeit verwendet werden. Genau wie der Alkohol.