Physikalische Behandlungen sind nur noch ein kleiner Anwendungsbereich - heute steht Bewegung im Mittelpunkt.
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Wien. "Saisonende nach Kreuzbandriss." Schlagzeilen wie diese haben vor allem in den letzten Wochen die Medien beherrscht. Mittlerweile sind es mehrere Rennläufer, die den Krankenhausaufenthalt der Skipiste vorziehen müssen. Aber auch abseits des Spitzensports häufen sich gerade in der vorherrschenden Jahreszeit Verletzungen wie diese.
Ob ein Patient allerdings nach einem Unfall die bis dahin gewohnte Bewegungsfreiheit wiedererlangen kann, beziehungsweise sogar wieder seinen sportlichen Aktivitäten nachkommen kann, hängt nicht nur von einem erfolgreichen operativen Eingriff ab, wie der Unfallchirurg Stefan Marlovits am Mittwoch vor Journalisten betonte. Erst die Nachbehandlung durch Physiotherapeuten unter entsprechender Mitwirkung des Patienten mache dies erst möglich, präzisierte der Mediziner.
Geburtsstätte Hietzing
Die Rehabilitation nach einer Verletzung ist aber nur eines der vielen Einsatzbereiche der Physiotherapie. Die Aufgabe besteht auch darin, Operationen vorzubeugen, Medikamente zu reduzieren und die Arbeitsfähigkeit im Beruf zu erhalten, führte Silvia Meriaux-Kratochvila, Präsidentin vom Bundesverband Physio Austria, im Krankenhaus Hietzing, der Geburtsstätte der Physiotherapie in Österreich, aus. Dort wurde sie vor genau 100 Jahren ins Leben gerufen.
Während in den Anfängen ausschließlich physikalische Passivanwendungen mittels Elektro-, Licht- oder Hydrotherapie zum Einsatz kamen, steht heute vor allem die Bewegungstherapie im Mittelpunkt. Physiotherapeuten sind mittlerweile in nahezu allen Abteilungen eines Krankenhauses und in nahezu allen Bereichen des modernen Gesundheitswesens im Einsatz, betonte Brigitte Ettl, Ärztliche Direktorin des Krankenhauses Hietzing. Dies beginnt bei der Versorgung auf der Intensivstation und setzt sich in der Betreuung im Alltag fort.
100 Jahre Physiotherapie
Im Jahr 1916 gründete der Arzt Josef Kowarschik an der, damals noch Kaiser Jubiläumsspital der Stadt Wien genannten Klinik die erste staatliche Ausbildungsstätte für "Physikotherapie", die sich, wie beschrieben, vor allem durch den Einsatz physikalischer Anwendungen auszeichnete. Die Ausbildung an der Privatschule absolvierten damals ausschließlich höhere Töchter. Erst mit den Jahren wurde das Berufsbild auch für Männer interessant.
Der medizinische Fachbereich hat sich rasch weiterentwickelt. "Während früher Personen eher wegen Unfällen oder Berufskrankheiten eine Behandlung benötigten, sind es gegenwärtig zunehmend die Folgen des passiven Lebensstils, die im Zentrum stehen", betonte Ettl. Erkrankungen wie Diabetes oder Übergewicht führen immer häufiger zu Bewegungseinschränkungen, die behandelt werden. Zahlreiche Studien würden bereits zeigen, dass sich Zuckerwerte durch Bewegung beeinflussen lassen, so die Medizinerin. Auch spezielle Rehabilitationsprogramme nach Herzkreislauf-Erkrankungen würden Wirkung zeigen. "Medikationen können reduziert und in manchen Fällen gar eingestellt werden", betonte Meriaux-Kratochvila. Zudem werde "der Lebensstil zunehmend passiver, wodurch schwerpunktmäßig aktivierende Verfahren zum Einsatz kommen müssen."
Beruf mit Zukunft
Diese umfangreiche Erweiterung des Berufsbild hatte auch zur Folge, dass sich die Ausbildungszeit von sechs Wochen im Jahr 1916 inzwischen auf sechs Semester erhöht hat. Angehende Physiotherapeuten können sich in Österreich an zahlreichen Fachhochschulen auf akademischem Niveau ausbilden lassen.
Dass der Beruf Zukunft hat - daran besteht kein Zweifel. Sowohl die höhere Lebenserwartung mit all ihren Begleiterkrankungen als auch der zunehmend passive Lebensstil nehmen darauf Einfluss. An den Ausbildungsstätten kommt es zu einem regelrechten Boom: "Die Fachhochschulen sind zehn- bis 15-mal überbucht", schilderte Meriaux-Kratochvila.