Zum Hauptinhalt springen

Pianist im Widerlichstand

Von Edwin Baumgartner

Kommentare
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Jetzt hat der deutsche Pianist und weithin bekannte Richard-Wagner-Erklärer Stefan Mickisch in der Bayreuther Villa Wahnfried von deren Leiter Sven Friedrich Hausverbot bekommen. Die Ursache ist, dass Mickisch am 13. Dezember in seinem Facebook-Kanal postete: ",Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen.‘ Hans Scholl 27. Juni 1942 // Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen. Stefan Mickisch 27. Juni 2020"

Offenbar erzeugt das Virus die Geistesverwirrung, dass jeder Zweite, der keinen Mund-Nasenschutz tragen mag, sich für einen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus hält: eine Verwechslung von echtem Widerstand mit echtem Widerlichstand.

Mickisch, der gegen die Corona-Maßnahmen wettert, setzt in seinem Posting die deutsche Regierung implizit mit dem NS-Regime gleich, gegen das sich Hans Scholls Flugblatt richtete. In einem satirisch sein wollenden Beitrag am 2. November auf YouTube sagt Mickisch kudernd: "Wenn man stirbt, dann stirbt man, und das berührt mich wenig."

Die schnelle Reaktion von Sven Friedrichs ist begrüßenswert. Befremdlich mutet indessen das brüllende Schweigen ausgerechnet der Facebook-Künstlerfreunde Mickischs an, die sonst eilig mahnende Worten gegen politisches Abdriften spenden.