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Der Alltag des Wiener Musikers zwischen Ausbildung, Wettbewerben und reger Konzerttätigkeit.
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Das Gespräch mit dem Pianisten findet in einem Klavierzimmer der Musik-Universität Wien am Anton-von-Webern-Platz statt. Kromer hat bereits mit seinem hochgepriesenen Kammermusik-Duopartner, dem Geiger Emmanuel Tjeknavorian, im Brahms-Saal sowie solistisch im Gläsernen Saal des Musikvereins konzertiert. So stellte sich eine Erwartungshaltung ein, der Portier müsse doch wohl Maximilian Kromer kennen, und würde ihm freundlich und respektvoll den Schlüssel für den Übungsraum aushändigen. Davon keine Spur, gleich allen anderen zückte der Student Kromer seinen Studentenausweis und erhielt im Austausch den Schlüssel.
Pianisten sollten grundsätzlich im Beisein eines Flügels interviewt werden. Das hat den Vorteil, vom Reden zur Musik wechseln zu können. Die Unterhaltung mit Maximilian Kromer war so kurzweilig, dass es dazu nicht kam.
Kromers Talent wurde im Kindesalter von Musikschullehrern "ganz zufällig" entdeckt: "In meiner Familie bin ich der Erste seit drei Generationen, der ein Instrument gelernt hat. Natürlich merkt man Begabung. Wichtig ist aber, wie ein Kind im Unterricht reagiert, wie schnell es Sachen aufnimmt und wie viele Überraschungsmomente man schon im frühen Alter erlebt, sodass Lehrer sagen: Da ist ein Musiker dahinter, der spürt, was er macht."
Technik und Feinschliff
Jedenfalls besteht bei Maximilian Kromer seit rund fünf Jahren das Ziel, dass "das Klavier mein Lebensinhalt sein soll. Es ist ja nicht nur Beruf, sondern auch Leidenschaft und das, was ich am liebsten mache: Musik - ob nun Kammermusik oder solistisch: alles hat seine schönen Momente".
Aktuell studiert Kromer an der Wiener Universität für Musik und Darstellende Kunst bei Prof. Martin Hughes; die Zusammenarbeit mit diesem Lehrer habe sich "ganz enorm entwickelt". Die ersten Jahre waren sehr techniklastig geprägt: Ging es zunächst um das Erlernen bestimmter Anschlagsmöglichkeiten und deren "Einbau" ins Spiel, steht nunmehr der musikalisch-gestaltende Feinschliff im Vordergrund: "Jetzt wird eher das große Bild angesehen, was muss ich stilistisch beachten, was soll beim Publikum emotional und vom Gehalt des Stücks rüberkommen. Aber natürlich kommen hin und wieder technische Einwände, die eine oder andere Stelle vom Anschlag her anders zu gestalten", so Kromer.
Um Wettbewerbe kommen junge Pianisten nicht herum. Diese Leistungs-Konkurrenzen sind ein Kriterium dafür, wie sich junge Menschen als reproduzierende Künstler bewähren. Kromer hat diverse nationale und internationale Wettbewerbe erfolgreich absolviert, einen schönen Erfolg spielte er 2017 mit zwei Auszeichnungen beim 15. Internationalen Beethoven-Wettbewerb in Wien ein. Die Motivation, dies im nächsten Jahr mit dem angestrebten Finale zu übertreffen, ist stark. Die Atmosphäre und das Programm dieses Wettbewerbes seien großartig und dem jungen Wiener Musiker sehr gelegen, der von sich sagt, ein begeisterter Beethoven-Interpret zu sein.
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Dies wurde auch bei Kromers Soloprogramm im März des Vorjahres im Musikverein (Gläserner Saal) hörbar, als er im zweiten Teil des Programms die "Diabelli-Variationen" spielte, die auf Bachs Ouvertüre im Französischen Stil, Präludien und Fugen aus dem "Wohltemperierten Klavier" folgten. Erinnerungen an Glenn Goulds Bach-Spiel klangen an. Gleich ob bei Bach oder Beethoven, Kromer zeigte sich als analytischer und Effekte meidender Künstler. Die Show, das Verrenken am Klavier oder dramatische Mimik sind seine Sache nicht.
Als sich das Gespräch um Vorbilder dreht, wird vor allem bei Vladimir Horowitz eine gewisse Bewunderung spürbar, der für Kromer "Legenden-Status hat, weil man immer ergriffen ist, was dieser Mensch klanglich hervorbringt. Egal, ob man nun davon begeistert ist, was er konkret spielt - aber die Art und Weise, wie er von der technischen Voraussetzung her musizieren kann, ist sensationell".
Wiener Klavierschule
Kromer kann auch einer Schule von Bedeutung zugerechnet werden - der "Wiener Klavierschule". Diese hat in Österreich nach 1945 eine stattliche Anzahl an Pianistinnen und Pianisten hervorgebracht, die internationale Top-Karrieren hinlegten und wesentlich zur Prägung eines spezifischen "Schul"-Begriffes beitrugen: u.a. Walter Klien, der jüngst verstorbene Jörg Demus, Paul Badura-Skoda, Friedrich Gulda, Ingrid Haebler oder - als Jüngere - Till Fellner und Stefan Vladar. Werktreue und ein unaffektiertes, aber dennoch persönliches Spiel sind Merkmale der "Wiener Stilistik".
Kromer gesteht der "Wiener Schule" einen ausgesprochen positiv determinierenden Stellenwert zu: "Das Wiener Spiel hat seinen Ruf. Ich bin froh, wenn ich meiner Herkunft gerecht werde, speziell was die Interpretation von Beethoven, Mozart oder Schubert betrifft - da sind Aufnahmen von Gulda oder Brendel für ein breites Publikum unübertroffen. Vielleicht hängt es mit der Herkunft, mit dem persönlichen Bezug zur Musik zusammen, mit dem Leben hier - ich weiß nicht genau, woran es liegt. Aber natürlich würde ich gerne in diese Fußstapfen treten und freue mich immer, wenn mir jemand sagt: ,Man hört bei dir den Wiener heraus‘."
Ausdruck und Gestik
Die Frage nach einer persönlichen Interpretation, nach Individualität wirft zugleich jene auf, woran man eigentlich erkennt, dass das Spiel eines Musikers ihm selbst und seinen Empfindungen entspricht - und nicht nur das Resultat von Technik und mimisch-gestischen Zutaten ist.
Plötzlich steht der Name Lang Lang im Raum: Kromer hält den um 14 Jahre älteren chinesischen Pianisten für einen "tollen Musiker", merkt aber an, dass der Weltstar bei manchem "über einen gewissen Punkt an Empfindung hinaus" gehe. Nach sofortiger Selbstreflexion fügt Kromer hinzu: "Ich ertappe mich selber manchmal auch beim Grimassenschneiden - das hat aber nie irgendetwas mit Show zu tun. Denn üblicherweise mache ich das nicht, und wenn, resultiert es wirklich daraus, weil ich in dem Moment so empfinde. Dann gibt es wiederum Passagen, wo ich kein Gesicht verziehe."
Die wirklich persönliche Gestaltung eines Stücks im Sinne einer perfekten Balance zwischen Technik und Musikalität ist für Kromer dann gegeben, wenn "ein Pianist die technischen Möglichkeiten hat, jeden Anschlag zu fabrizieren, den er in dem Moment will. Und dann noch ein solches Verständnis für die Musik hat, dass so gut wie nie etwas aufgesetzt, kitschig oder fahl klingt."
"Wahnsinnig gern" spielt Kromer neben Beethoven Werke von Brahms oder Schubert, hat aber auch eine starke Affinität zu moderneren Komponisten. Erst jüngst beschäftigte er sich intensiv mit der 7. Sonate von Prokofjew, einem Parade-Pianisten-Stück, das ihm großen Genuss bereitete. Weiters sind in seinem Repertoire: (Kammermusik-)Werke u.a. von Schostakowitsch, Rachmaninow oder Strawinsky. Darüber hinaus schätzt Kromer die Werke des Österreichers Christoph Ehrenfellner, einem zeitgenössischen Komponisten und für den Pianisten "wirklich ein Neoromantiker, der freie Tonalität mit romantischen Motiven verbindet". Für den jungen Musiker ist es grundsätzlich spannend, "mit Komponisten zu arbeiten, die einen persönlich kennen und die einem persönliche Hinweise - oder auch Einwände - geben können".
Sport als Ausgleich
Konsequente Arbeit prägt den Lebensrhythmus eines professionellen Musikers: Was tut Maximilian Kromer, um sein "Funktionieren" zu sichern? "Ich versuche in Phasen, wo ich nicht ganz im Stress des Repertoire-Lernens und der Auftrittsvorbereitungen versinke, körperlichen Ausgleich zu finden. Rund zwei Wochen werden sportlich gestaltet, damit ich die nächsten zwei Monate dann ohne weiteres nur arbeiten und mich trotzdem noch wohl fühlen kann."
Wirklich konsequentes Üben gesteht sich Kromer erst seit rund drei Jahren zu. In Kindheit und Jugend sei das, alters- und somit ablenkungsbedingt, naturgemäß anders gewesen. Ob es so etwas wie einen psychisch-körperlichen Drang zum Instrument gibt? "Selbstverständlich! Als Kind vielleicht weniger, aber jetzt habe ich auch enormen Spaß am Üben", sagt der Musiker.
Kromer hat einen "ganz gewöhnlichen 180er-Yamaha-Flügel", der durchaus ein paar kleinere Reparaturen vertragen könnte. Daneben besitzt er ein Silent-Piano (dabei ist es dank digitaler Technik möglich, das Klavierspiel statt über die Saiten über einen Kopfhörer oder eine Stereoanlage auszugeben, Anm.), was sich speziell vor Konzertauftritten bewährt, wenn er sehr lange und bis spät in die Nacht üben muss.
Nähert sich der Pianist einem Stück an, so besteht seine Methode darin, den Notentext anfangs mit Fingersätzen "als persönliche Hilfe" zu versehen. Ist Zeit genug gegeben, bearbeitet Kromer regelmäßig ein oder zwei Seiten am Klavier und sieht sich - bezogen auf die Hände - "nur rechts und links an". Eine wirkungsvolle Lernmethode ist für ihn auch, den Notentext zunächst einmal nur zu lesen, um das Stück kennenzulernen: "Wenn man sich daran gewöhnt, kann man daraus viel mitnehmen. Was würde ich da selber spielen, welchen Klang wünsche ich mir? Das ist mitunter oft produktiver als am Klavier zu sitzen."
Er ergänzt aber sofort, dass er bei Zeitnot zu ungeduldig für Lernen durch Lesen sei - und sich dann doch rasch ans Klavier setze, um durch Ausprobieren "seine Version zu finden".
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<info-p>Maximilian Kromer, geboren 1996 in Wien, begann mit vier Jahren an der Musikschule Wien mit dem Klavierspiel. Zurzeit befindet er sich in der Studien-Abschlussphase. Einflussreiche Lehrer: Susanne Spaemann, Noel Flores, Martin Hughes. Hat bereits mit 13 Jahren beim TV-"Nussknacker-Wettbewerb" in Moskau vor 2000 Zuhörern gespielt. Preisträger zahlreicher nationaler und internationaler Wettbewerbe. Er ist sowohl solistisch wie auch kammermusikalisch (mit seinem Duo-Partner, dem Geiger Emmanuel Tjeknavorian) tätig. Aktuelles Ziel: der "Goldene Saal" des Wiener Musikvereins und das Finale des Beethoven-Wettbewerbs 2020.
Nächster Termin: 18. 5., Musikverein/Gläserner Saal: Kammermusik mit Emmanuel Tjeknavorian, Violine, und Dominik Wagner, Kontrabass: Schubert, Rachmaninow, Schostakowitsch.
www.maximiliankromer.com
Peter Bernthaler, geboren 1967, lebt als Journalist und Maler in der Steiermark und in Wien.
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