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Ob am Wirtshausstammtisch in Mistelbach, im Londoner Bridge-Klub oder im Casino in Las Vegas: Karten spielen ist rund um den Globus beliebt, und so mancher hält mit einem guten Blatt auch ein Stück Wien in den Händen. Die heimische Spielkartenfabrik Piatnik produziert 25 Millionen Kartenspiele jährlich und exportiert 90% davon in mehr als 60 Länder. Geschäftsführer Dieter Strehl - Ur-Urenkel des Firmengründers Ferdinand Piatnik - lässt sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ein wenig in die Karten schauen.
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"Ich selber spiele am liebsten Tarock", sagt Strehl. Viel Zeit dazu hat der 44-Jährige allerdings nicht. 26 Mill. Euro hat Piatnik zuletzt mit den oben genannten 25 Millionen Spielkartenpaketen sowie mit 2 Millionen Brettspielen und 1 Million Puzzles umgesetzt. Rund 80% davon wurden im Ausland erwirtschaftet. Die wichtigsten Absatzmärkte sind Ost- und Südeuropa, die USA und Asien.
In amerikanischen und asiatischen Casinos werde in einem Ausmaß gespielt, "wie wir es in Europa gar nicht kennen - vor allem die Asiaten sind unglaubliche Zocker und sehr emotional. Sie zerstören die Karten innerhalb kurzer Zeit", erklärt Strehl.
Einen großen Anteil am Umsatz haben Karten als Werbeträger. "Da stehen wir im Wettbewerb mit Feuerzeugen und T-Shirts", sagt Strehl. Apropos Wettbewerb: Die Casinos Austria setzen auf mehrere Kartenproduzenten. Piatnik liefert die Baccara-Karten. Die Poker-Karten stammen von dem spanischen Unternehmen Fournier, das auf Plastikspielkarten spezialisiert ist. "Plastikkarten sind viel teurer und halten länger", erklärt Strehl.
"Große Bescheidenheit und große Demut"
"Uns werden jährlich tausend Spiele-Ideen vorgestellt. 10 bis 15 davon werden realisiert", erzählt Strehl vom zweiten Firmenstandbein. "Activity" ging bis heute 3 Millionen Mal über die Ladentische, das "Millionenshow"-Spiel verkaufte sich innerhalb kürzester Zeit 450.000 mal. Doch nicht jedes Spiel entwickelt sich zum Renner. "Große Bescheidenheit und große Demut sind angesagt", betont der Geschäftsführer, der gerne aus der 180-jährigen Geschichte von Piatnik plaudert - lieber als etwa über Bilanzen und Zulieferer. Strehl erzählt von einer ungarischen Fabrik, die enteignet wurde, von einem israelischen Importeur, dessen Großvater von Galizien nach Palästina auswanderte und Spielkarten mit den Köpfen von persischen Königen bestellte und von einem Agenten im Sudan der 1930er Jahre. "Wir waren immer schon sehr exportorientiert."
"Wir liefern auch nach Kambodscha, Thailand, Malaysia, Australien, Neuseeland und Monaco." Die Wünsche der Importeure sind vielseitig: Tarockkarten, die ein slowenischer Künstler im KZ für eine Partisanengruppe gestaltete, Entwürfe für das Museum of Modern Art in New York oder runde Spielkarten für das ungarische Spirituosenunternehmen Zwack Unikum.
Bei einem Rundgang durch die Kartenfabrik in der Hütteldorfer Straße in Wien 14 erklärt Strehl die Herstellung. Die Piatnik-Karten bestehen aus zwei bis drei Schichten Papier, das mit Leim zusammengeklebt wird. Anschließend werden die Karten bedruckt und lackiert.
"Das Papier für die Karten stammt nicht aus Österreich, sondern aus Italien, Frankreich und Deutschland." Ansonsten gibt sich Strehl eher wortkarg: "Fragen's doch nicht so viel." Standortüberlegungen würden in regelmäßigen Abständen geprüft, eine Übersiedlung nach Osteuropa habt Strehl zu Folge derzeit keinen Sinn: "Die Personalkosten sind nicht sehr hoch, und die Maschinen kosten überall gleich viel."
180 Jahre Piatnik
1819: Ferdinand Piatnik der Erste wird in Ofen (heute Budapest) geboren.
1824: Gründung der Kartenmalerei Anton Moser im 7. Wiener Bezirk.
1843: Übernahme der Kartenmalerei durch Ferdinand Piatnik.
1882: Umbenennung der Kartenmalerei in Ferd. Piatnik & Söhne, Wien
1885: Ferdinand Piatnik stirbt. Das Unternehmen wird von seiner Witwe und den Söhnen weitergeführt.
1891: Errichtung des Fabriksgebäudes in der Hütteldorfer Straße in Wien 14.
1896: Gründung der Firma "Piatnik Nandor es Fiai" als Schwesterunternehmen.
1899: Kauf der Spielkartenerzeugung "Ritter & Cie" in Prag.
1939: Das Wiener Stammhaus wird in die Familien-Kommanditgesellschaft "Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne" umgewandelt.
1951: Einführung des Mehrfarben-Offsetdruckes.
1968: Erweiterung des Sortiments von Spielkarten auf Brettspiele und Puzzles.
1988: Umwandlung in eine GmbH & Co KG.
1989: Gründung der Tochtergesellschaft "Piatnik of America".
1991: Umstellung der Produktion auf vollelektronische Bildverarbeitung und Vierfarbenoffset mit Inline-Spielkartenlackierung.
1993: Gründung der Tochtergesellschaften in Deutschland, Ungarn, und in Tschechien.