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Die Euro-Krise ist leider nicht vorbei, sondern von der Peripherie Europas in dessen Kern vorgedrungen.
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Die Niederlande gelten gemeinhin nicht unbedingt als Heimat leichtlebiger Hallodris, die mit den Ersparnissen ihrer wehrlosen Kinder ins Spielcasino gehen, sondern erschienen im Gegenteil immer als Hort besonderer finanzieller Stabilität, darin den Deutschen, Finnen oder Österreichern verwandt. Umso mehr erstaunte, dass jüngst die viertgrößte Bank Hollands, die SNS Reaal, notverstaatlicht werden musste, weil ihr aufgrund zu vieler notleidender Immobilien-Kredite der Bankrott drohte, was den niederländischen Steuerzahler mindestens 10 Milliarden Euro kosten wird. Noch mehr erstaunte, dass auch europaweit publik wurde, dass die Holländer mit privaten Verbindlichkeiten von 250 Prozent der Wirtschaftsleistung die Schuldenweltmeister der Eurozone sind - zusätzlich zu einer Staatsschuld von heuer auch ganz stattlichen 70 Prozent des Sozialprodukts. Das markiert in gewisser Weise eine neue Qualität der Finanzkrise: Sie ist kein Phänomen der Peripherie mehr, sondern dringt ins Herz der Eurozone vor. Sie ist nicht im Abklingen, wie naive Gemüter glauben, sondern vom Rand in den Kern gewandert. Die Krise der PIIGS-Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) wird nun kongenial ergänzt durch die FISH-Krise (Frankreich, Italien, Spanien und eben Holland).
In Frankreich etwa hat der sozialistische Arbeitsminister Michel Sapin erst jüngst mit erstaunlicher Offenheit erklärt, dass sein Land "völlig pleite" sei, was leider auch völlig zutrifft. Vom ursprünglich versprochenen Ziel, das staatliche Defizit heuer auf ohnehin hohe 3 Prozent zu senken, hat sich die Regierung in Paris mangels Machbarkeit verabschiedet; stattdessen versucht Präsident François Hollande mit teils hyperpopulistischen (75 Prozent Einkommensteuer für Gutverdiener) und teils retro-etatistischen (Forderung eines politisch manipulierten Euro-Kurses) Aktionen, das Land aus der Malaise zu ziehen - was so freilich nicht funktionieren wird.
Noch offensichtlicher ist das Vordringen der Krise von der Peripherie in den Kern Europas in Italien, wo die Wirtschaft im Vorjahr um 2,2 Prozent schrumpfte, heuer weiter kontrahiert und damit die schlimmste Rezession seit 20 Jahren durchleidet. Und sollte der italienische Wähler in seinem unerforschlichen Ratschluss dieses Wochenende tatsächlich dem erwiesenermaßen völlig regierungsuntauglichen Silvio Berlusconi wieder politischen Einfluss verleihen, wird Italien ab nächster Woche Ground Zero der nächsten Großkrise Europas sein.
Das Abklingen einer Wirtschaftskrise stellt man sich jedenfalls gemeinhin etwas anders vor.
Davon, ob die FISH-Region es doch noch irgendwie aus eigener Kraft schafft, sich vom Haken der Hyperverschuldung loszureißen und ihre Haushalte zu sanieren, hängt maßgeblich ab, ob tatsächlich irgendwann einmal vorsichtig Entwarnung für die Eurozone gegeben werden kann. Denn um von Deutschland gerettet zu werden wie Griechenland oder Portugal, ist dieser FISH viel zu groß. Sehr beruhigend ist die Aussicht, dass Rom und Paris über den künftigen Wohlstand im Rest Europas entscheiden, leider nicht.