Mehrausgaben der Länder mit 50 Millionen gedeckelt. | 830 Euro unter der EU-Armutsschwelle. | One-Stop-Shop könnte Zumutbarkeit verschärfen. | Wien. Sozialminister Erwin Buchinger hatte zuletzt davor gewarnt, dass die Mindestsicherung um ein Jahr verschoben werden könnte, sollte es bei den Verhandlungen mit den Ländern zu weiteren Verzögerungen kommen. Ursprünglich war geplant gewesen, die Mindestsicherung ab 1. Jänner 2009 einzuführen.
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Obwohl der Politikwissenschafter Emmerich Tálos zwar auch noch verschiedene Stolpersteine bis zur Realisierung sieht, glaubt er an eine Verabschiedung der Mindestsicherung laut Plan: "Bei der derzeitigen Legitimationsproblematik der Regierung halte ich einen Beschluss für 1. Jänner 2009 für sehr wahrscheinlich", sagte er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Derzeit ist die Mindestsicherung in Vorbegutachtung. Vorarlberg und Niederösterreich wehren sich dagegen, dass der One-Stop-Shop beim Arbeitsmarktservice (AMS) eingerichtet wird. Denn Heizkostenzuschuss oder Wohnbeihilfe werden weiterhin von den Bezirkshauptmannschaften ausbezahlt.
Tálos hat drei Hauptkritikpunkte an der geplanten Mindestsicherung:
Betrag zu gering. Die Höhe der Mindessicherung von 14 Mal 747 Euro (also 830 Euro pro Monat, 12 Mal gerechnet) ist unter der EU-Armutsschwelle, die im Jahr 2004 bei 900 Euro/Monat lag. Ab 2009 wird diese bei 1000 Euro liegen, die Mindestsicherung aber nur bei 830 Euro. Diese Differenz sei gerade für bedürftige Gruppen beträchtlich, gibt Tálos zu bedenken. Vor allem auch, wenn man davon ausgehe, dass die Mindestsicherung als armutssicherndes Instrument gedacht ist.
Der Bund wälzt Kosten auf die Länder ab. Das AMS zahlt zwar die Differenz vom Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe auf 830 Euro aus, holt sich diese aber vom Land zurück. Beispiel: Ein Kärntner bezieht in Wien Arbeitslosengeld, das Wiener AMS zahlt ihm die Mindestsicherung und holt sich die Differenz von der Kärntner Bezirkshauptmannschaft zurück. Die Länder haben dafür zwar im Finanzausgleich mehr Geld erhalten, aber zusammen einen Deckel für die Mindestsicherung bei 50 Millionen Euro eingezogen. Tálos befürchtet, dass sich der Mehraufwand mit diesem 50-Millionen-Euro-Deckel nicht ausgeht und die Länder daher bei der Wohnbeilhilfe sparen werden. Es könne auch sein, dass sich nach der zweijährigen Evaluierungszeit ein Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung entwickle.
Unklarheit über den One-Stop-Shop AMS. Die Mindestsicherung setzt Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit voraus, weshalb auch das AMS als One-Stop-Shop vorgesehen ist. Das AMS ist demnach nur für Arbeitslose und Notstandshilfebezieher zuständig. Tálos befürchtet nun, dass die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft werden könnten, nicht zuletzt wegen knapper Länder-Mittel.
Auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt könnte der Finanzierung Probleme bereiten, etwa die Zunahme der Teilzeit. Als Teilzeitarbeitskraft bekommt man die Mindestsicherung zwar nur, wenn das AMS keinen Vollzeitarbeitsplatz anbieten kann oder man ein Kind unter drei Jahren zu beaufsichtigen hat, aber in Wien habe jetzt schon mehr als die Hälfte der Sozialhilfebezieher ein Einkommen, das unter dem Sozialhilferichtsatz liege.
Alles in allem ist der Wiener Politologe dennoch von der Sinnhaftigkeit der Mindestsicherung überzeugt. Es sei ein wichtiger Schritt, dem weitere in der Bildungspolitik und in der Arbeitsmarktpolitik folgen müssten, da ja Armut nicht alleine aus dem Mangel an Geld definiert werden könne.