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Pinker Zorn auf das System

Von Matthias Nagl

Politik

Die Neos wollen in Oberösterreich das politische System aufbrechen.


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Linz. Vor einem Jahr galten die Neos auch in Oberösterreich als größte Gefahr für Landeshauptmann Josef Pühringer und die ÖVP. Das hat sich geändert, für die Neos wird der Einzug in den Landtag laut Umfragen eine knappe Sache. Neos-Chefin Judith Raab ist dennoch zuversichtlich.

"Wiener Zeitung": Vor einem Jahr war Ihre Partei in aller Munde. Die Neos galten sogar als Mitgrund für das Wiederantreten von Landeshauptmann Josef Pühringer. Nun, kurz vor der Wahl, fürchten sich alle Parteien vor der FPÖ. Kommt die Landtagswahl für die Neos ein Jahr zu spät?Judith Raab: Wir setzen auch jetzt immer noch die Themen, etwa im Bildungsbereich. Wer hat vor uns von der autonomen Schule gesprochen? Niemand. Glauben Sie, wir hätten heute einen Finanzminister Schelling, wenn es die Neos nicht gäbe? Wir haben sehr viele Themen aufs politische Tablett gebracht und sehr viel verändert.

Sie sprechen die Veränderungen in der ÖVP durch die Neos an. Auch in Oberösterreich gab es in der ÖVP Vorwahlen, man konnte sich ohne Parteimitgliedschaft für die ÖVP aufstellen lassen und das Wahlprogramm wurde unter Einbeziehung der Bevölkerung erstellt. Haben die Neos ihr Ziel nicht schon erreicht?

Das politische System in Oberösterreich ist wie im Rest Österreichs nicht mehr zeitgemäß. Da sind wir nun die Innovationstreiber. Wir bringen moderne Dinge in die Politik hinein, über die vorher noch niemand gesprochen hat. Das ist ein politischer Apparat, der nur noch mit sich selbst und mit dem Machterhalt beschäftigt ist. Das ist das, was die Menschen so richtig zornig macht. Die Menschen sind viel zorniger und wütender, als man in der Öffentlichkeit weiß. Dieses System verschlingt so viel Energie, dass für etwas anderes kein Platz mehr ist.

Die Neos haben innerhalb der ÖVP schon einen Veränderungsprozess angestoßen. Warum braucht es die Neos im Landtag?

Genau deswegen. Weil wir Schritt für Schritt dafür sorgen, dass diese modernen Konzepte Einzug halten. Es ist ja schön, wenn sich die ÖVP jetzt ein bisschen bewegt. Wir brauchen aber große Konzepte. Die ÖVP reagiert jetzt auf die Neos. Das macht sie die ganze Zeit: Sie reagiert. Von einer staatstragenden Partei erwarte ich mir, dass sie agiert, dass sie vorausschaut und Visionen für ein Land hat. Deshalb braucht es uns auch im Landtag.

Die Flüchtlingsthematik ist sehr präsent im Wahlkampf, auch wenn das Land Oberösterreich hier nur wenig Einfluss hat. Inwieweit sind Sie da Getriebene der aktuellen Entwicklung, weil Ihre thematischen Schwerpunkte nicht so weit oben auf der Agenda stehen?

Beim Asylthema sieht man das Totalversagen unserer Regierungsparteien. Sie hätten vor mindestens zwei Jahren anfangen müssen, dafür Konzepte vorzubereiten. Dieses Thema ist nicht vom Himmel gefallen. Das wusste man. Niemand hat sich überlegt, wie wir mit der Situation umgehen, die auf uns zukommt. Es hätte nur zwei Dinge gebraucht: Managementkompetenz und Menschlichkeit. Das ist offensichtlich beides nicht vorhanden.

Einer Ihrer Schwerpunkte ist Bildung. Eine echte Bildungsreform wird es nur mit der Bundesregierung geben. Was können Sie hier ausrichten, wenn Sie im Landtag sind?

Da gibt es auch auf Landesebene einige Kompetenz, wo man etwas umsetzen kann. Bei den Volksschulen und Hauptschulen könnte man Akzente setzen. Wir wollen zu einem Schulsystem, in dem die Kinder im Mittelpunkt stehen.

Wo kann man da konkret bei Landesschulen ansetzen?

Im Kindergarten und der Volksschule wird die Basis für die gesamte weitere Bildungslaufbahn gelegt. Jedes Kind lernt von Natur aus gerne. Es geht nur darum, wie sie ins Bildungssystem hineinstarten. Ich will, dass die Kinder ihre Leidenschaft für das Lernen behalten. Das kann ein Land selbst beeinflussen. Wir würden auch dringend Unterstützungskräfte brauchen. In der Volksschule steht eine Lehrerin mit 20 bis 30 Kindern mit unterschiedlichen Bedürfnissen in der Klasse. Da braucht es Unterstützungskräfte. Die wollen wir so finanzieren, dass wir die Parteiförderung halbieren wollen. Das macht alleine in Oberösterreich jährlich 14 Millionen Euro frei.

Kritiker einer Kürzung der Parteienförderung befürchten, dass mit einer Kürzung Spontanpolitikern wie Frank Stronach Tür und Tor geöffnet wird.

Das können nur Menschen sagen, die in Schwarz-Weiß denken. Es ist keine Entscheidung zwischen der weltweit höchsten Parteienförderung und gar keiner. Was wir vorschlagen, ist eine Reduzierung um die Hälfte. Selbst wenn wir das machen, sind wir immer noch europäische Spitze.

In den Wahlprogrammen gibt es einige Gemeinsamkeiten zur ÖVP. Wo sehen Sie die großen Unterschiede zwischen Neos und ÖVP?

Die Unterschiede liegen ganz klar in der Struktur. Wir haben keine Bünde und keine Teilorganisationen. Das ist ein Riesenvorteil der Neos. Die Begrenzung der Amtszeit gibt es auch nur bei uns.

Was würden Sie inhaltlich anders machen als Landeshauptmann Pühringer?

Wir brauchen wieder eine richtige Wirtschaftspolitik. Egal, was sie in ihr Parteiprogramm hineinschreiben. Wichtig ist das, was sie leben. Die ÖVP fordert in Oberösterreich eine Senkung der Lohnnebenkosten und stimmt im Nationalrat dagegen. Da muss ich sagen, die nehmen uns auf den Arm.

Judith Raab steht seit April 2014 an der Spitze der oberösterreichischen Neos. Sie wuchs auf einem Mühlviertler Bauernhof mit fünf Geschwistern auf und arbeitet in der Begabtenförderung. Die 46-jährige Juristin ist Mutter einer 19-jährigen Tochter.