Gustav Mezey (1899-1981) zählt zu den bedeutendsten österreichischen Grafikern des 20. Jahrhunderts. Vor allem mit seinen Filmplakaten erlangte er internationale Anerkennung.
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"Polskie Centrum Hand-lowe" steht über dem Eingang geschrieben, der in ein geräumiges Souterrainlokal nahe dem Rennweg in Wien-Landstraße führt. An der Fassade laden bunte Bilder von Lebensmitteln zum Einkauf in dem polnischen Supermarkt. Nichts erinnert mehr daran, dass hier, in der Strohgasse 41, einmal der berufliche und private Lebensmittelpunkt eines der bedeutendsten österreichischen Grafikers des 20. Jahrhunderts war. Von den 1930er bis in die 1970er Jahre hatte Gustav Mezey im Souterrain des pompösen Gründerzeithauses Atelier und Wohnung. Arbeiten im Verborgenen - und von dort aus die Welt "erobern", das könnte das geheime Lebensmotto Mezeys gewesen sein, der als Filmplakatmaler weit über die Grenzen seines Landes bekannt geworden war und sich im Untergrund stets wohler fühlte als an der Oberfläche.
Sein Leben und Werk sind bisher kaum aufgearbeitet. Selbst in Antita Kerns fundiertem Überblickswerk "Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert" wird Mezey mit keinem Wort erwähnt. Dies mag zum einen daran liegen, dass Filmplakate lange Zeit als ein künstlerisch zweitrangiges Grafikgenre galten; zum anderen, dass der umfangreiche Nachlass, der neben Entwürfen für die Film- und Kinobranche auch solche für Produktreklame und Geschäftsportale sowie zahlreiche Aktzeichnungen und Fotos enthält, sich in privaten Händen befindet. Erste Einblicke in diesen sowie Erinnerungen von Zeitgenossen vermitteln ein schillerndes Bild des kongenialen Allround-Grafikers.
Harte Kindheit
Sein familiärer Background und die Kindheit waren nicht einfach, so Otto Gimperlein, Grafikerkollege, Freund und Verfasser einer frühen biografischen Skizze über Mezey. Geboren am 10. September 1899 als Gustav Masirević in der Kleinstadt Sombor (damals Südungarn, heute Serbien), verlor er als Einjähriger seine Mutter, mit drei Jahren den Vater, der Grundbuchführer war. Der Bruder des Vaters und dessen Frau nahmen den Vollwaisen auf. Strengste Erziehung mit harten Strafen, vor allem vonseiten des Onkels, kennzeichnete fortan seine Jahre.
Früh manifestierte sich Gustavs künstlerische Begabung. Seine Begeisterung für das Zeichnen war bald allseits bekannt. Bereits mit zwölf verließ er die Volksschule und ging bei dem bekannten, in Sombor ansässigen Kunst- und Schildermaler Lajos Steiner in die Lehre. Alsbald durfte er selbstständig den Gnadenaltar einer Wallfahrtskirche restaurieren. Es folgten Ausbildungen an der Kunstgewerbeschule in Szeged und schließlich in Budapest, wo er sich an der Akademie für angewandte Kunst einschrieb, im November 1917 den ungeliebten Namen seines Onkels ablegte und sich fortan "Mezey" nannte.
Danach kehrte er in seine Heimat zurück, die nun Teil des jugoslawischen Staates geworden war. Er arbeitete als Grafiker und Zeichner bei diversen Firmen in Osijek, absolvierte einen Kurs für moderne Fotografie und erhielt als freier Werbegrafiker erste lu-krative Aufträge von so renommierten Firmen wie Meinl, Bata oder Austro-Daimler. 1923/24 leistete er den einjährigen Militärdienst ab, die Voraussetzung dafür, das Land verlassen zu dürfen. Erst jetzt war Mezey wirklich frei.
1925 fuhr er in seine Wunschstadt Wien, fand erste Arbeit in einer Schilderfabrik an der Rossauer Lände. Daneben belegte er Abendkurse an der Akademie für angewandte Kunst und an der Kunstgewerbeschule. Zahlreiche Aktstudien aus dieser Zeit belegen, welch Talent für Proportionen und das Herausmodellieren des Körpers er schon entwickelt hatte. Dies, obgleich seine künstlerischen Umsetzungen bisweilen recht unkonventionell waren und er sich manche Freiheiten nahm, zum Missfallen einiger Professoren, wie Gimperlein berichtet.
Nach Abschluss der Ausbildungen machte sich Mezey selbstständig, zumal die Nachfrage nach Werbegrafiken nach der Weltwirtschaftskrise, die auch Wien zutiefst erschüttert hatte, wieder deutlich anstieg. Im Jahr 1936 eröffnete er in der Strohgasse sein "Kunstgewerbe-Atelier für neuzeitliche Reklame". Wie breit gefächert sein Portfolio war, geht aus seiner Visitenkarte hervor: Entwürfe und Ausführungen von Schildern, Metallbuchstaben, Lichtreklame, Neonanlagen, Ölannoncen, figurale Malerei, Schaufensterreklame, Email-, Glas- und Papierplakate, Geschäftswagen-Beschriftungen. Als Firmenemblem wählte er nicht zufällig den Kopf der Pallas Athene, der griechischen Göttin der Künste und des Kampfes.
Erfolg mit Werbegrafik
Die Auftragslage entwickelte sich prächtig, Mezeys Talent hatte sich herumgesprochen. Werbeplakate, Etiketten und Packungsentwürfe entstanden u.a. für Produkte von Humanic, Bally, Odol, Persil, Recheis, Manner und Meinl; zudem Entwürfe für Geschäftsportale, teils traditionell, teils erfrischend klar und modern anmutend, etwa für eine Gaststätte, eine Tabak-Trafik, einen Frisiersalon, eine Hammerbrot-Filiale oder ein Ledergeschäft (leider ist keine dieser Realisationen mehr im Stadtbild erhalten).
Hergestellt wurde all dies in den unterirdischen Arbeits- und Wohnräumen, deren Wände Mezey stolz mit seinen Aktzeichnungen geschmückt hatte, wie Fotografien dokumentieren. Ein erotisch aufgeladenes Domizil also, das der Frauenverehrer wohl nicht ohne Kalkül inszenierte. Dazu passen jene Urlaubsaufnahmen aus mondänen jugoslawischen und italienischen Badeorten, die den attraktiven, erfolgreichen Künstler in Begleitung verschiedener junger Frauen am Strand zeigen.
Maria Kollmann, geboren 1912, Schneiderin, war eine seiner Freundinnen. Die beiden verbrachten viel Zeit miteinander, gingen tanzen oder ins FKK-Gelände des Schafbergbades (Mezey war ein begeisterter Sportler und Tänzer). Die Freundschaft währte bis über die Kriegsjahre hinweg, mündete jedoch nicht in eine Heirat. Dies hätte Mezeys Freiheit und künstlerische Ambitionen, wie er meinte, zu sehr beeinträchtigt. Als Kollmann 1947 nach England ging, zerbrach die Beziehung und wurde auch nach Marias Rückkehr nach Wien nicht wieder aufgenommen.
Neben der Produktwerbung waren Plakate für Theater, Kabaretts und Kinos zu Mezeys wichtigstem beruflichen Standbein geworden. Vor allem in der Anfertigung von Filmplakaten entwickelte er rasch einen unverkennbaren Stil. Schon in der NS-Zeit hatte ein gewaltiger Kinoboom eingesetzt, der sich in der Nachkriegszeit fortsetzte. Mehr als 200 Kinos gab es Anfang der 1950er Jahre in Wien, mit rund 48 Millionen Besuchern. Die Nachfrage nach Ankündigungsmedien war enorm, die Palette reichte von riesigen handgemalten Plakaten an den Fassaden der Großkinos bis hin zu Druckplakaten für Litfasssäulen und Plakatwände. Eine Handvoll Wiener Grafiker widmete sich diesem Metier, darunter Eduard Paryzek Vater und Sohn, Paul Aigner, Viktor Sartori, Helmut Koop - und eben Gustav Mezey, dessen Bekanntheit jene seiner Kollegen bald weit überragte.
Hauptgrund dafür war seine ausgefeilte Technik, die eine detailgenaue Wiedergabe der Stars ermöglichte, oft mit ungewohnt expressionistischen Farbkombinationen und eigenwilligen Lichteffekten, jedenfalls aber mit starker Ausdruckskraft und daher großer Werbewirkung. Mezey arbeitete als Erster mit einem (selbst konstruierten) Luftpinsel, dessen Handhabe er streng geheim hielt. Bisweilen zeichnete er feine Rasterlinien ein, um die Wirkung zu verfremden und weiter zu steigern.
Ob Zarah Leander, Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Marlene Dietrich, Catherine Deneuve, Marika Rökk, Nadja Tiller, Romy Schneider, Hans Moser, Paul Hörbiger oder Theo Lingen, fast alle bekannten nationalen und internationalen Filmstars der Nachkriegszeit waren in Mezeys Ate-lier "zu Hause". Auftraggeber waren die Kinos selbst, etwa die wichtigen Premierenkinos "Apollo" oder "Gartenbau", aber auch die damaligen österreichischen, deutschen, französischen, englischen und US-amerikanischen Filmfirmen wie Sascha, UFA, Bavaria, Terra, Rank, Warner Bros. oder MGM.
Großformatige Gesichter wurden zu Mezeys Markenzeichen. Seine Fähigkeit, sämtliche Formate ohne die üblichen Hilfsmittel zu bewältigten, brachte ihm auch die Anerkennung seiner Kollegen ein, wie sich Eduard Paryzek senior erinnert: "Er war einer der besten Plakatmaler. Er hat nicht auf die Masse geschaut, ein sehr stolzer Mensch, der sein Handwerk ausgezeichnet verstand. Aber vom Stil her picksüß, oft übertrieben schön. Er war ein Könner. Ich habe ihn manchmal in seinem Keller im dritten Bezirk besucht. Er hat lange gebraucht für ein Plakat und somit relativ wenig verdient, aber das war ihm egal. Mit dem Fahrrad ist er selber liefern gefahren."
Internationaler Ruhm
Mezey galt als einzelgängerischer Perfektionist, der sich ungern von seinen Werken trennte. Als nun offizieller "Maler und Grafiker" war er seit 1951 Mitglied im "Bund Österreichischer Gebrauchsgrafiker". Teilnahmen an internationalen Plakatausstellungen brachten weitere Anerkennung. Zeitgenössische Fotos zeigen ihn bei der Arbeit, ganz Künstler, im Anzug und weißen Arbeitsmantel, die Malpalette in der Hand, vor riesigen Plakaten.
Nicht nur in Wien prägten seine Plakate das Stadtbild, auch in Budapest, Belgrad, Berlin, Leipzig oder München waren sie zu sehen. Und Mitte der 1960er Jahre lud ihn sogar MGM-Filmproduzent Samuel Mayer ein, in Hollywood zu arbeiten. Mezey fühlte sich jedoch bereits zu alt und wollte lieber in Wien bleiben. Leider sei dieses Angebot, wie er meinte, zehn Jahre zu spät gekommen.
Selbst wenn sich die Kinokrise später auch in Wien bemerkbar machte und die Nachfrage nach Filmplakaten deutlich zurückging, setzte Mezey sein kreatives Schaffen unbeirrt fort. Doch er wurde menschenscheuer, lebte sehr spartanisch, kochte selbst, rauchte nicht, trank keinen Alkohol, hatte weder Fernsehen noch Radio.
Das Ende kam abrupt, als er, 76-jährig, bei der Arbeit an einem riesigen Filmplakat von der Leiter fiel. Eine Fußverletzung zwang ihn ins Krankenhaus, die Rückkehr in das muffige Atelier wurde aus gesundheitlichen Gründen untersagt. Widerwillig begab er sich in das städtische Pflegeheim Lainz. Am 9. April 1981 starb Gustav Mezey, resigniert und einsam. Sein Nachlass konnte gerettet werden; eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung und Präsentation wäre ein Gebot der Stunde. Ausstellungserfolge in Wien (1984), Boston (1997) sowie zuletzt in Sydney (2005) belegen die ungebrochene Anziehungskraft seiner Werke.
Peter Payer, geb. 1962, Historiker und Stadtforscher, Kurator im Technischen Museum Wien. Hrsg. von "Filme malen. Der Wiener Plakatmaler Eduard Paryzek" (Pustet, 2010) u.a. Publikationen.