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PISAs schiefe Optik

Von Dr. Franz Witzeling

Politik

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Das interessanteste der vielzitierten PISA-Studie sind die vielfältigen Interpretationsversuche, die als eindeutig mehrdeutige Versuche zu sehen sind, sein eigenes bildungspolitisches Süppchen zu kochen.(...)

Auf der Suche nach den Ursachen des hausgemachten Bildungsdilemmas wetteifern Vertreter(innen) der etablierten Bildungsleitinstitutionen im Verteilen von Diagnosen und Ratschlägen in Richtung derer, die die eigentlichen Leidtragenden der Bildungsmisere sind. Sündenböcke und Symptomträger sind die Schüler und Schülerinnen und deren fahrlässige Eltern.

Die Lösung um den schief geratenen elfenbeinernen Bildungsturm gerade zu machen ist klar. Die Bildungsaspiranten lernen zu wenig, sind zu wenig motiviert, leiden an Legasthenie oder Diskalkulie und sind gar nicht würdig, die kultivierten Bildungsperlen in Anspruch zu nehmen. Die Realität der 3. Kulturtechnik des Internets ist anscheinend an PISA, aber vor allem an unseren "Bildungsgewalttätigen" völlig vorbeigegangen. Den bereits vollzogenen bildungspolitischen Paradigmawechsel, der durch das radikal veränderte Informationsgebrauchswertverhalten eingetreten ist, ignorieren unsere Bildungsarchitekten standhaft.

Der Wert der staatlichen Bereitstellung von Wissen ist durch den freien Informationszugang durch das Internet mutiert und verlangt die Fähigkeit, kreative Verknüpfungen zwischen Inhalten herzustellen. Erfassen von Inhalten wird auch in der PISA-Studie hoch eingestuft und nicht die Reproduktion von vorgefertigten antiquierten Bildungsmatritzen, die als Gegenstände in die Mottenkiste der Geschichte verstaut gehören.

Das eigentliche Paradoxon der Auswirkung von PISA zeigt sich erst aus der bildungskybernetischen Vogelperspektive. Von systemangepassten Pädagogen(innen) diagnostizierte Mängel und Symptome von schlechten Schülern(innen) erscheinen im Lichte eines zukunftsorientierten Wissensmanagement als Optionen und zu fördernde Fähigkeiten.

Man steht vor den Alternativen der Erhaltung der institutionalisierten bildungsmonopolistischen Macht und der Option des Förderns und Aufzeigens von Machbarkeiten einer sich rasant entwickelnden multimedial vernetzten Informations- und Kommunikationsgesellschaft.

Die Wahl zwischen Lernfrust und Informationslust ist für die Zukunftsgeneration schon längst entschieden.

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Dr. Franz Witzeling ist Leiter des Humaninstitutes in Klagenfurt. Das Institut wurde 1986 als privates Sozial und Motivforschungs-unternehmen gegründet.