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PKK zu Frieden bereit - Wende nach 30 Jahren Krieg

Von Michael Schmölzer

Politik

Ausgelassene Feiern in Istanbul, | Kurden sehen sich als Sieger.


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Istanbul. Der seit über 30 Jahren dauernde Krieg der kurdischen PKK gegen den türkischen Staat könnte diese Woche zu Ende gehen. Der inhaftierte Rebellenchef Abdullah Öcalan will am Donnerstag, pünktlich zum kurdischen Neujahrsfest Newroz, seine PKK zum Waffenstillstand aufrufen. Die Absicht des PKK-Chefs wurde von dem kurdischen Politiker Selahattin Demirtas an die Öffentlichkeit gebracht, der den Kurdenführer auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen durfte. Öcalan verbüßt dort seit 14 Jahren eine lebenslange Haftstrafe.

Das Friedensangebot Öcalans gilt als Reaktion auf Zugeständnisse der Regierung Recep Tayyip Erdogan an die Kurden. Wie dieses Entgegenkommen aussieht, ist noch nicht klar. Die Verhandlungen mit Öcalan - er galt lange als der gefährlichste Häftling der Türkei und wird immer noch von der Außenwelt abgeschottet - sind geheim. Seit vergangenem Dezember spricht der Kurdenführer mit dem türkischen Geheimdienst über eine Beilegung des Konflikts.

Einige Forderungen hat die Regierung in Ankara in den letzten Wochen bereits erfüllt. Kurdisch wird jetzt als Wahlfach in der Schule gelehrt, es darf vor Gericht verwendet werden. Diese Zugeständnisse kommen einer Revolution gleich; es ist noch nicht lange her, da wurde man ins Gefängnis geworfen, wenn man in der Öffentlichkeit Kurdisch benutzte. Schon der Gebrauch des kurdischen Alphabets konnte mit Haft geahndet werden.

Auch die PKK zeigte sich in den vergangenen Tagen entgegenkommend. Zuletzt wurden acht türkische Geiseln freigelassen, die von kurdischen Kämpfern im Nordirak festgehalten worden waren. Die Soldaten und Beamten waren vor zwei Jahren im Südosten der Türkei verschleppt worden und seien auf Geheiß Öcalans nach Hause geschickt worden, gab ein Sprecher der PKK bekannt.

Siegesfeiern

Der Friedensprozess mit der türkischen Regierung wurde am Sonntag von zehntausenden Kurden in mehreren türkischen Städten ausgelassen gefeiert, zahllose kurdische Fahnen waren zu sehen, Öcalan-Bilder wurden in die Kameras gehalten. Hier versteht man das Friedensangebot so, dass sich die PKK endlich durchgesetzt hat.

Was Öcalan fordert, ist eine weitgehende Dezentralisierung der Verwaltung und die baldige Freilassung von tausenden kurdischen Häftlingen. Aus dem Parlament in Ankara ist zu erfahren, dass die Kurdenpartei BDP mit der regierenden moderat-islamistischen Regierungspartei AKP auf Hochdruck an einer neuen Verfassung arbeitet. Demnach unterstützen die Kurden Erdogans Plan eines Präsidialregimes, wenn die neue Verfassung dafür auf die nicht-türkischsprachigen Minderheiten Rücksicht nimmt. So soll in der neuen Verfassung nicht mehr von "türkischen Bürgern" die Rede sein, sondern ein ethnisch neutraler Ausdruck zur Anwendung kommen. Öcalan verzichtet im Gegenzug auf seine Forderung nach einem "unabhängigen Kurdistan".

Die PKK war im Jahr 1978 gegründet worden und verschrieb sich dem bewaffneten Kampf, um die "nationale Befreiung" des kurdischen Volkes zu erreichen. Die ersten organisierten Angriffe gegen türkische Polizeistationen und Einrichtungen der Armee gab es 1984, die Attacken richteten sich später vermehrt gegen Dörfer und Zivilisten. Der türkische Staat verhängte über einige Regionen mit mehrheitlich kurdischer Bevölkerung erst das Kriegsrecht, später den Ausnahmezustand. Insgesamt sind bei den Kämpfen mehr als 40.000 Menschen ums Leben gekommen.