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Erster Akt: Dramatischer Auftritt der Opernmanager, es ist Sommer 2019: "Wer, wie, was? Plácido Domingo soll während seiner langen Karriere etliche Frauen bedrängt und Macht missbraucht haben? Nie gehört!" Die amerikanischen Branchenvertreter: "Ein Zeichen muss her, der Mann muss weg!" Die europäischen: "Null Toleranz für Ausbeutung! Aber bis zur Klärung der Vorwürfe gilt die Unschuldsvermutung. Was auch immer wir dann tun."
Zweiter Akt, ein halbes Jahr später: Die US-Künstlergewerkschaft AGMA gelangt in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass etliche Vorwürfe berechtigt sind. Der Sänger, greise 79 Jahre alt, entschuldigt sich bei den Frauen. Auftritt der Opernmanager, die sich nun die Haare raufen: "Herrje, ist das Undenkbare also wirklich wahr. Wir aber bleiben bei unseren Grundsätzen - und beweisen unerschütterlich Haltung."
Dritter Akt, in naher Zukunft: Plácido Domingo hat seine Sängerkarriere beendet, natürlich aus völlig freien Stücken. In einer Presse-Erklärung zeigt er sich untröstlich gegenüber seinen Verehrern. Er wolle den Bühnen aber jene lästigen Konflikte ersparen, die seine Auftritte auslösen würden. Schlusschor der Opernmanager: "Ein Akt wahrer Würde. Ein edler Abgang in Größe. Dank sei Domingo, dessen lichtvolle Seite wir auf ewig im Gedächtnis bewahren." In einer Apotheose aus Rührung, Verbundenheit und moralischer Erbauung fällt der Schlussvorhang.