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Je mehr Menschen aus dem Ausland nach Österreich zuwandern, desto weniger allgemein wird das Wahlrecht insgesamt, wenn diesen Personen nicht mehr Mitbestimmung ermöglicht wird.
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Der Kampf um die Demokratie war von Anfang an ein Kampf um das allgemeine Wahlrecht. Für Männer wurde dieses in Österreich 1907 erreicht, für Frauen erst nach dem Ende der Habsburger-Monarchie in der Republik 1919. Die Bundesverfassung spricht dabei nicht ausdrücklich vom Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts. Aber sie behält es Staatsbürgern vor. Wörtlich heißt es hierzu im Artikel 26 (1.): "Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt."
Diese "Staatsbürgerdemokratie" ist grundsätzlich fragwürdig. Und sie wird umso fragwürdiger, je mehr Ausländer in Österreich leben. Das sind derzeit mehr als eine Million Menschen. Die Hälfte davon sind Bürger eines EU-Staates. Diese haben auf Gemeindeebene, in Wien nur auf Bezirksebene, und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament das Mitbestimmungsrecht. Alle anderen Ausländer in Österreich verfügen über gar keine Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung.
Dabei wird die Zahl der Menschen, die politisch nicht mitbestimmen dürfen, aufgrund der Zuwanderungsströme nach Österreich immer größer. Die Folge liegt auf der Hand: Das Wahlrecht zu den allgemeinen Vertretungskörpern auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene wird immer weniger allgemein.
Ausländer haben kein Wahlrecht zu den allgemeinen Vertretungskörpern, wohl aber zu den wirtschaftlichen. Was dort Staatsbürgerrecht ist, ist in den Berufskörperschaften Menschenrecht. Die Kammern haben hier eine demokratiepolitische Priorität. Dies gilt auch bei der betrieblichen Mitbestimmung. Im Übrigen können in Österreich in den Hochschülerschaften auch ausländische Studierende wählen.
In all diesen Bereichen ist die "Betroffenendemokratie" also schon längst zu einer "Beteiligtendemokratie" geworden. Dort, wo aber die Ausländer viel mehr betroffen sind, nämlich in den allgemeinen Vertrettungskörpern wie dem Nationalrat und den neun Landtagen, sind sie nicht an der politischen Mitbestimmung beteiligt.
Die Staatsrechtlerin Martina Caroni von der Universität Luzern setzt daher ein Fragezeichen hinter die Feststellung: "Wir haben ein allgemeines Wahlrecht." Sie ist davon überzeugt, dass den europäischen Staaten, also auch der Schweiz und Österreich, nichts anderes übrig bleiben werde, als Nicht-EU-Ausländern das allgemeine Wahlrecht zu geben. Dies gilt besonders für die Republik Österreich, in der schon seit 200 Jahren das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt: "Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten."
Es wäre schön, wenn unsere Republik den Weg von der "Staatsbürgerdemokratie" weiter zur "Menschenrechtsdemokratie" ginge.