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Johann Moser fordert ÖIAG als Instrument für aktive Industriepolitik.
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"Wiener Zeitung": Heute, Freitag, wird vom Aufsichtsrat der ÖIAG ein neuer Vorstand bestellt. Unabhängig von der Person: Ist die Verstaatlichten-Holding in dieser Form überhaupt sinnvoll?Johann Moser: Die ÖIAG in ihrer jetzigen Form ist ein Stillstandsmodell. Das zeigt sich daran, dass es keine Privatisierungsaufträge gibt; es ist unklar, ob bei Kapitalerhöhungen der Beteiligungen mitgezogen wird; schließlich ist auch die Wahrnehmung der Eigentümerverantwortung durch das Finanzministerium in sich widersprüchlich, weil es einen Interessenskonflikt zwischen hohen Ausschüttungen fürs Budget und Wachstumsfinanzierung für die Wirtschaft geht. Aus meiner Sicht gibt es also bei der ÖIAG dringend Handlungsbedarf, um sinnvoll arbeiten zu können.
Welche Optionen gibt es aus Ihrer Sicht?
Ich sehe drei mögliche Varianten: Erstens, eine vollständige Liquidation aller Beteiligungen; auf Basis des Jahres 2011 könnte man so - abzüglich der Liquidationskosten - rund 5 Milliarden Euro erlösen. Zweitens, die Auflösung der ÖIAG und die Rückführung der Beteiligungen an die Ministerien; dazu müsste man allerdings auch eine "Bad-ÖIAG" herauslösen, um bestehende Verbindlichkeiten zu bedienen.
Das alles sind jedoch defensive Varianten. Als Industriepolitiker würde ich den offensiven Umbau zu einer Industrie- und Infrastrukturholding empfehlen. Die aktuelle Krise beweist ja einmal mehr, dass Volkswirtschaften mit einer starken Industriestruktur erfolgreicher solche schwierigen Situationen überstehen. Österreich hat hier durchaus noch einige Assets in der Hand, die man in eine solche breit aufgestellte Holding eingliedern könnte, etwa ÖBB und Asfinag, Verbund, Bundesforste, womöglich auch den ORF, und etliche andere.
Und mit einer solchen Mega-Holding lässt sich dann Industriepolitik betreiben?
Man muss die Unternehmen zu konkreten Themenbereichen zusammenfassen, Strategien müssen ausgearbeitet und umgesetzt werden; dazu wiederum benötigt man kompetente Manager und - das ist entscheidend - den politischen Willen, diese Vorgaben auch wirklich umzusetzen. Das wäre natürlich ein sehr mächtiges Instrument, aber es wird in der Praxis bereits vorgelebt, etwa von mächtigen Staatsfonds in neu industrialisierten Staaten. Österreich hat in den letzten Jahren etliche interessante Unternehmen ans Ausland verloren, weil keine Mittel für eine Kapitalerhöhung vorhanden waren. Und wenn heute eine Austeritätspolitik umgesetzt werden soll, muss der Staat auch über die Möglichkeit verfügen, gleichzeitig nachhaltige Wachstumsimpulse zu setzen. Mit einer großen Industrie-Holding hätte der Staat hier ein Instrument. Wenn man das wirklich will, muss man sich dazu aber auch unzweideutig bekennen, dann ist es mit Beteiligungen von 25 Prozent plus einer Aktie vorbei, damit kann man nur verhindern, aber nichts bewegen. Um entscheiden zu können, braucht man klare Mehrheiten.
Welche Rolle würde bei einem solchen Konzept die Politik spielen?
Die Politik darf sich auf keinen Fall in das operative Management einmischen, es ist aber unerlässlich, dass sie klare strategische Vorgaben über die Aufsichtsorgane tätigt. Die derzeitige Regelung, wo ein sich selbst erneuernder Aufsichtsrat der Politik jede direkte Einflussmöglichkeit nimmt, ist aus meiner Sicht kontraproduktiv, das macht kein Eigentümer auf der ganzen Welt. Und noch etwas ist entscheidend für einen Erfolg eines solchen Modells: Dass die Unternehmen finanziell über ausreichend Spielraum verfügen, dass Kapitalaufstockungen und Expansion möglich sind; wenn man etwas bewegen will, halte ich das für unerlässlich.
Sehen Sie auch nur ansatzweise den politischen Willen, diese Kernfragen für die Republik auch anzugehen?
Wenn man nach Wachstumsmöglichkeiten sucht und Wohlstand absichern will, dann wird man um diese Fragen nicht herumkommen. Die Positionen der Regierungsparteien haben sich hier um 180 Grad umgedreht. Ich selbst habe noch für die SPÖ eine dynamische Infrastrukturholding konzipiert, jetzt will die ÖVP, die einst alles privatisieren wollte, etwas ähnliches. Weltweit erleben wir heute eine Renaissance der Industriepolitik, einfach weil hier die größte Wertschöpfung stattfindet und auch Zulieferer und Dienstleister sich anhängen. Jetzt haben wir ein reines Stillstandsmodell, das ist schlecht.
Zur Person
Johann Moser,
geb. 1954; der Volkswirt und ehemalige SPÖ-Politiker ist Unternehmer und Geschäftsführer des Austria Wirtschaftsservice aws.