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Plädoyer für westliche Werte in einer "pazifischen Epoche"

Von Wolfgang Taus

Politik
Als eine "Glitzermetropole mit Demokratiedefizit" bezeichnet Seifert Singapur.
© G & M Therin-Weise/Robert Harding World Imagery/Corbis

Thomas Seifert geht in seinem neuen Buch der Frage nach, wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann.


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Die asiatisch-pazifische Ära ist nicht erst mit der Verkündung von US-Präsident Barack Obama angebrochen, den strategischen Hauptfokus Amerikas auf diesen prosperierenden ökonomisch-politischen Großraum zu legen. Die Tatsache, dass China 2014 die USA als größte Wirtschaftsmacht abgelöst hat und nunmehr offensichtlich darangeht, zügig militärisch-geostrategisch die bisher dominierende Dominanz der Weltmacht Amerika in der asiatisch-pazifischen Region zurückzudrängen, bedeutet die größte Verschiebung globaler Macht seit dem Ersten Weltkrieg.

Thomas Seifert, stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung", geht in seinem neuen Buch, einer gelungenen Mischung aus Sachbuch und Reportage, diesen Veränderungen auf den Grund, um diese tektonischen Verschiebungen vielschichtig zu beleuchten. Der Westen steckt spätestens mit der Großen Rezession von 2008 in einer dreifachen Krise: einer Krise des westlichen Finanzkapitalismus, einer Krise der westlichen Parteiendemokratie und einer Krise des globalen Steuerungssystems. Das Vertrauen der Menschen in Markt und Staat, der die vorhandenen Probleme lösen soll, schwindet zusehends. Westliche Demokratien werden zu sogenannten Postdemokratien. Die Mehrheit der Bürger spielt angesichts solcher "Wahlkampf-Inszenierungen" nur eine "passive Zuschauerrolle", so der Autor.

Zudem springt dem Beobachter schon seit längerer Zeit die Dysfunktionalität des globalen Steuerungssystems ins Auge. Wie können etwa China oder Indien dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vertrauen, wenn Europa den Posten des IWF-Direktors als "europäische Erbpacht" versteht und die USA de facto ein Vetorecht haben? China hat darauf reagiert und mittlerweile Parallelstrukturen zu Weltbank und IWF aufgebaut. Die G-20 der wichtigsten zwanzig Wirtschaftsmächte werden auf der Weltbühne immer stärker wahrgenommen und verändern das bisher unipolar von den USA nach dem Ende des Kalten Krieges dominierte Weltsystem - hin zu einer multipolar ausgerichteten Ordnung, in der der asiatisch-pazifische Raum künftig eine Schlüsselrolle spielen wird.

Wie kann insbesondere die EU, die in ihrer Geschichte immer wieder Krisen überwinden konnte, in dieser neu entstehenden geostrategischen Gemengelage vor allem politisch-ökonomisch erfolgreich bestehen?

Mutige Reformschritte nötig

Die Europäer haben Asien viel zu bieten, gerade was innovative Lösungen für die grassierenden Umweltprobleme (etwa in China), für neue Verkehrskonzepte und für soziale Sicherungssysteme betrifft. Krisen müssen angesichts des relativen Niedergangs der globalen Machteinwirkung der USA insbesondere auch für die Europäer als Chance verstanden werden, um auch in einer multipolaren Weltordnung positiv mitgestalten zu können. Es gibt guten Grund optimistisch zu sein, meint der Autor. Allerdings müsse der Westen im eigenen Haus seine Hausaufgaben machen. Nationalismus und Kleinstaaterei müssen abgelegt werden.

Um die internationale Staatenwelt einmal mehr von der Überlegenheit von Demokratie und Marktwirtschaft überzeugen zu können, braucht es mutige Reformschritte zu wiederhergestellter, gelebter demokratischer Rechtsstaatlichkeit und einer sozial verträglichen Marktwirtschaft, die die Schatten neoliberaler Maßlosigkeiten hinter sich lässt.

Das lesenswerte Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Renaissance westlicher Werte in einer multipolar werdenden Welt - in einem pazifisch geprägten Zeitalter.