Unmittelbar vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen rücken die Aktivisten beider Lager noch einmal aus.
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Wien. Der Weg zur Arbeit ist für viele Wiener in den vergangenen Wochen etwas unterhaltsamer geworden, seit Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen für ihre Persona im Amt des Bundespräsidenten werben. Da, wo sonst Werbung für Smoothies, Vorarlberg und Schokolade hängt, lächeln überdimensionale Antlitze der beiden Kontrahenten auf die Passanten herab. Und auch in der dritten Kampagnenrunde bleiben die Plakate nicht unkommentiert.
Im Gegenteil, gerne werden sie als Leinwand für den eigenen politischen Unmut herangezogen. Wie zuletzt als eine Gruppe autonomer Aktivisten mehr als siebzig große Hofer-Plakate mit ihrer eigenen politischen Botschaft versah: Neben dem FPÖ-eigenen Slogan "In eurem Sinne entscheiden" plakatierte die Gruppe eine Infotafel, die auf das Stimmverhalten der Partei im Nationalrat hinweist. Mit Datumsnachweis belegen sie den Einsatz der FPÖ gegen die bedarfsorientierte Mindestsicherung, den Erhalt der Arbeiterkammer und weitere Maßnahmen des Sozialabbaus.
"Wir glauben, dass viele Menschen das reale Stimmverhalten der FPÖ gar nicht kennen. Wir wollten deswegen statt blindem Aktionismus Fakten liefern", sagt eine Aktivistin. Bei der Auswahl der Punkte hätte sich die Gruppe auf jene Themenbereiche und Kürzungen beschränkt, die die potenzielle Wählerschaft der FPÖ zuerst betreffen könnten. Vor allem seien sie aber "raus aus der Innenstadtblase" gefahren, dorthin, wo die Plakate oft unkommentiert blieben: in die Randbezirke nach Liesing und Floridsdorf, nach Donaustadt und Hietzing.
Durchgeplante Aktionen wie diese bleiben jedoch eher die Ausnahme. Im Wiener Stadtgebiet beschränken sich die Kommentare jener, die ihrem politischen Unmut auf den Plakaten beider Lager Luft machen, auf Beschmierungen unterhalb der Gürtellinie, schwarze Balken über den Augen oder schlicht Zerstörung. Während Hofers Abbild in der Innenstadt häufig mit Hitlerbart und Hakenkreuz versehen wird, meldet die Kampagnenzentrale Van der Bellens besonders auf dem Land einen Anstieg antisemitischer Äußerungen in Verbindung mit ihrem Kandidaten.
Systematische Beschmierung
In weniger als 24 Stunden werden die kleinen A1-Plakate in der Innenstadt nach ihrer Zerstörung ersetzt, bei den großen dauert es zwischen drei und vier Tagen. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Parteien und ihren Gegnern drückt auf die Kampagnenkasse beider Lager. Bei den Grünen mussten laut Kampagnenteam allein im November bereits mehr als 150 Plakate ersetzt werden. Das Team Hofer rechnet laut Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum österreichweit mit 300 Prozent Überdruck, wonach jedes dritte FPÖ Plakat zerstört wird.
In diesem Wahldurchgang sei ein bisschen Ruhe eingekehrt, meint Weixelbaum, allerdings belaufen sich die Einbußen inklusive der ersten Kampagnenrunde im Frühjahr dieses Jahres auf rund 100.000 Euro. Allein der Schaden durch die Aktion der Wiener Antifa, die im Frühjahr 50 Plakate mitsamt Ständer aus der Innenstadt entfernte, liegt im fünfstelligen Bereich. Damit liegt der Schaden der FPÖ im Wiener Stadtgebiet wohl über dem der Van-der-Bellen-Kampagne, allerdings lässt sich dieses Verhältnis ähnlich der Wählerschaft auf dem Land herumdrehen: Wo Grün gewählt wird, wird Blau beschmutzt und andersherum.
"In keinem anderen Wahlgang hat es eine derart starke, systematische Beschmierung und Zerstörung unserer Plakate gegeben", sagt auch eine Sprecherin des Teams Van der Bellen. Sie habe das Gefühl, in diesem ausgedehnten Wahlkampf sei die Kommentarkultur auf den Plakaten überdurchschnittlich tief unter die Gürtellinie gerutscht. Sie berichtet von Beschmierungen durch Kot und verfassungswidrigen Beleidigungen, "Tendenz steigend". Doch solche Geschmacklosigkeiten bleiben in Wien eine Seltenheit. Die Schlacht der Plakate wird größtenteils mit Stift und Pickerl ausgefochten. Da werden Dinge geschrieben und wieder durchgestrichen, ergänzt, überklebt und ersetzt. Obwohl die Beschmierungen als Sachbeschädigung mit Geldbußen von bis zu 700 Euro bestraft werden können, bleiben sie nicht aus. Im Gegenteil: Beide Lager melden Schäden wie in kaum einem Wahlkampf zuvor.