Bildungsforscher appellieren an Verantwortliche. | Herbert Altrichter: Reformen am Stand des 21. Jahrhunderts orientieren. | Wien. "(...) eine Überantwortung der Bundeskompetenz zu den Ländern wäre unter allen möglichen Überlegungen (.. .) der Weg in die 100 Prozent falsche Richtung." So hat es das Institut für höhere Studie (IHS) bereits vor drei Jahren formuliert. Warum also wollen die Länder die Lehrer zu sich holen?
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Herbert Altrichter, Erziehungswissenschafter an der Johannes Kepler Universität Linz mit Schwerpunkten Schulentwicklung und Steuerung von Schulsystemen, vermutet, dass es um Geld und um personalpolitischen Einfluss geht. Und er sieht darin auch einen "Versuch, die bildungspolitische Richtung zu obstruieren". In den Reihen der Bildungsforscher macht sich Sorge breit, dass eine Verländerung der Lehrerkompetenzen am Ende zu neun unterschiedlichen Bildungssystemen führen könnte, worunter Deutschland derzeit leide. "Österreich ist zu klein dafür", betonte Altrichter gegenüber der "Wiener Zeitung".
Beeinträchtigungder Schulentwicklung
Er hat daher gemeinsam mit einer Reihe von renommierten Bildungsforschern eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin heißt es, "dass die in der Öffentlichkeit kolportierten Pläne dem vorhandenen wissenschaftlichen Sachverstand diametral widersprechen und zu ernsthaften Beeinträchtigungen der weiteren Entwicklung des Schulwesens führen werden". Die Wissenschafter "erwarten, dass die Reformdiskussion entsprechend den Standards des 21. Jahrhunderts auf dem vorhandenen Sachverstand aufbaut und die präsentierten Lösungsansätze zum Ausgangspunkt konstruktiver Entwicklungen nimmt".
Das Argument, dass eine Verschiebung der Lehrer zu den Ländern hin und die Schaffung einer Bildungsdirektion billiger wäre, widerspreche allem, was Rechnungshof und IHS bisher herausgefunden haben, sagte Altrichter. 40 bis 50 Millionen Euro Einsparungen könne er schon deswegen nicht glauben, weil die Kontrolltätigkeit der bisherigen Bezirksschulräte auch weiterhin wahrgenommen werden müsse. Das Organ selbst könne man einsparen, aber nicht die regionalen Verbindungsstellen zu den Schulen.
Neun unterschiedliche Systeme möglich
Die Frage ist aber, ob die Länder, wenn sie die Lehrer übernehmen, tatsächlich schulgestalterisch tätig werden können. Altrichter verweist darauf, dass zwar auch nach dem Länder-Modell die strategische Gesetzgebung, Bildungsstandards und Qualitätskontrolle beim Bund wären. Ob aber die Gestaltung der Schulstruktur beim Bund oder bei den Ländern liege, mache einen erheblichen Unterschied. Aber schon alleine mit den Personalagenden hätten die Länder ein wirkungsvolles Instrument in Händen. Etwa wenn es darum geht, Karriereleitern und Hierarchien zu bestimmen oder auch die Unterrichtsstunden festzulegen. Es gebe jedenfalls großen Spielraum, um in den Bundesländern unterschiedliche Systeme entstehen zu lassen.
Altrichter wünscht sich demgegenüber einen wirklichen Bürokratieabbau und die Umsetzung der vier Punkte, die RH, Wifo, IHS und Zentrum für Verwaltungsforschung schon vor einem Jahr gefordert haben:
* Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung und interne Schulgebarung aus einer Hand.
* Einheitliche Steuerung auf Basis strategischer Bildungsziele.
* Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle der Leistungserbringung der Schulen durch ein permanentes übergeordnetes Monitoring.
* Weitgehende Autonomie der Schulen in Bezug auf Unterrichtsgestaltung und Personalauswahl unter einheitlichen Vorgaben, Zielen und rechtlichen Rahmenbedingungen.