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Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich vor EU-Gipfeltreffen.
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Brüssel. Nein, Entscheidungen stünden keine an. Ausgerechnet Deutschland will die Erwartungen an das herbstliche EU-Gipfeltreffen gedämpft wissen. Wenn die Staats- und Regierungschefs Europas am heutigen Donnerstag in Brüssel zusammenkommen, gehe es vor allem um die Debatte, wie die Wirtschafts- und Währungsunion gestärkt werden könne, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Dabei war es der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der kurz zuvor die Diskussion um mögliche Vertragsänderungen neu entfacht hatte. Ebenso plädierte er für eine Aufwertung des Währungskommissars, der größeren Einfluss auf die Gestaltung nationaler Budgetpläne haben sollte.
Es schien daher, als ob Berlin das Tempo der Verhandlungen um eine Banken- und Fiskalunion beschleunigen wollte. Dass diese nämlich notwendig sei, um in Zukunft Finanzkrisen besser bewältigen zu können, befinden alle Mitgliedstaaten. Bei den Details gehen die Meinungen aber schon wieder auseinander. Überhaupt reichen die Pläne für eine Fiskalunion bisher kaum über eine Ideensammlung hinaus, zusammengetragen etwa von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Da waren Schäubles Vorschläge schon weitreichender - wenn auch nicht neu.
Deren Umsetzung brauche dennoch Zeit, hieß es dann doch in Berlin. Schäubles Vorstoß, bis Jahresende einen sogenannten Konvent zur Vorbereitung einer neuen Verfassung zu etablieren, wurde damit wieder relativiert. Erst im Dezember werde es wohl Beschlüsse zu einem Fahrplan für die Umsetzung der Reformen geben - und danach Beratungen zu möglichen Vertragsänderungen.
Trotzdem wird auch das jetzige Gipfeltreffen nicht zu einem gemütlichen Beisammensein geraten. Allzu offen treten nämlich die unterschiedlichen Meinungen etwa zu den Vorhaben für eine gemeinsame Bankenaufsicht zutage. Während Frankreich beispielsweise den Zeitplan der Kommission begrüßt, findet Deutschland, dass es zu früh wäre, wenn die Europäische Zentralbank bereits im kommenden Jahr mit der Kontrolle beginnt.
Zuerst Reformen, dann Geld
Das ist auch nicht das einzige Thema, bei dem Berlin und Paris uneins sind. So sprach sich der französische Staatspräsident François Hollande einmal mehr für eine - von Deutschland abgelehnte - Einführung von Euro-Anleihen aus. Ebenso plädierte er für eine politische Stärkung der Eurogruppe. Deren Mitglieder sollten sich künftig jeden Monat treffen, befand er. "Ich bin für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, der verschiedenen Kreise", erklärte er in mehreren Zeitungsinterviews.
Berlin hingegen wünscht sich eine Berücksichtigung auch jener Staaten, die noch nicht der Währungsunion angehören. "Wir wollen keinen geschlossenen Klub der 17", sagte ein Regierungsvertreter. Länder, die der Eurozone beitreten möchten, sollten daher schon möglichst früh in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
Auseinander gehen auch die Auffassungen, in welcher Reihenfolge die Neuerungen erfolgen sollten. Frankreich wünscht sich finanzielle Hilfen für angeschlagene Euro-Staaten noch vor der Umsetzung der Reformen. Deutschland plädiert für den umgekehrten Weg: zuerst mehr wirtschaftspolitische Koordinierung und Kontrolle, danach Unterstützung. Ein Beispiel dafür wäre die direkte Rekapitalisierung von Banken aus dem Euro-Rettungsfonds. Die dürfe erst erfolgen, nachdem eine effektive Bankenaufsicht etabliert worden war.
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