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Planlos am Hindukusch

Von Veronika Eschbacher

Politik
Afghanistans Präsident Hamid Karzai hat als Sowjet-Erbe links gerichtete Beamte in seinen Sicherheitskräften.
© wiki/Michael O’Connor

Erste russische Direktinvestitionen in Afghanistan seit 1992.


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Moskau/Kabul. Die meisten Überbleibsel der sowjetischen Vergangenheit in Afghanistan rotten vor sich hin. So säumen massenhaft rostige Panzer den berühmten Salang-Gebirgspass, der den Norden mit Kabul verbindet. Selbst mitten in der Hauptstadt hat so ein Kriegsrelikt die letzte Ruhe gefunden - auf einer Anhöhe, auf der auch ein Ex-Präsident des Landes, Burhanuddin Rabbani, begraben ist. Erst letzte Woche wurde nach 33 Jahren ein weiteres Überbleibsel aus der Sowjetzeit gefunden: ein russischer Soldat, der sich in der westafghanischen Provinz Herat unter dem Namen Scheich Abdullah als Kräuterarzt verdingt. Aktuelle Zeugnisse des einst so starken Einflusses findet man kaum.

Während Indien, China und andere Weltmächte sich um die Vorherrschaft in Afghanistan matchen, sich mineralische Ressourcen, Öl und Gas sichern und Weichen für die Zukunft des Landes nach dem Abzug der internationalen Truppen 2014 stellen, befindet sich Russland in einem dornröschenartigen Schlaf.

Kaum vorstellbar, aber erst Ende Dezember des Vorjahres machte eine russische Firma die erste Direktinvestition in Afghanistan seit dem Sturz des von der Sowjetunion gestützten afghanischen Präsidenten, Mohammed Nadschibullah, 1992. Bei einem feierlichen Akt zu diesem Anlass in Kabul sagte Muhammad Qurban Haqjo, der Chef der afghanischen Wirtschafts- und Industriekammer: "Russland als eines der mächtigsten Länder der Welt könnte in unserem Land eine Schlüsselrolle spielen."

Könnte, wohlgemerkt. Denn die Realität sieht anders aus. "Russland ist verwirrt, wenn es um seine Vorgangsweise in Afghanistan geht", sagt Davood Moradian, Politologe vom Afghan Institute for Strategic Studies in Kabul zur "Wiener Zeitung". Das Land hätte sich noch nicht positioniert: Einerseits würde Russland ein Sicherheitsvakuum in Afghanistan nach 2014 fürchten - das Land hat den bevorstehenden Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch bisher immer als verfrüht bezeichnet, da weiterhin terroristische Bedrohungen von diesem Territorium ausgingen. Andererseits hätte Russland aber auch keine Freude mit US- und Nato-Truppen in seinem Hinterhof und lässt keine Gelegenheit aus zu hinterfragen, was US-Truppen nach 2014 noch dort wollten.

"Sie spielen natürlich mit dem Gedanken, wirtschaftlich wieder nach Afghanistan zurückzukehren, aber wegen der politischen und Sicherheitssituation haben sie sich - im Gegensatz zu den Chinesen oder Indern - noch nicht engagiert", sagt Moradian.

Das größte Engagement lege Russland aktuell im nachrichtendienstlichen Bereich an den Tag: Es betreibe nach wie vor ein sehr großes Geheimdienstnetzwerk, das vor allem auf Beobachtung der Geschehnisse ausgerichtet sei, kaum auf Aktivität. Die Ergebnisse der Berichte sind - im Gegensatz zu denen etwa der USA - weitaus düsterer und sehen wenige Fortschritte. Die Zunahme von terroristischen Aktivitäten im Norden Afghanistans sowie der Drogenhandel - ein großer Teil der Drogen landet in Russland - bereiten die größten Sorgen.

Subtile Feindschaft

Auch wenn nun ein 500-Millionen-Dollar-Engagement in einem Großprojekt von Russlands Präsidenten Wladimir Putin - die sogenannte Casa-1000-Stromleitung durch die zentralasiatischen Länder, die auch Afghanistan versorgen soll - offiziell bekanntgegeben wurde, bleibt fraglich, ob schnell weitere folgen werden.

Das Image der Russen in Afghanistan ist nach wie vor angeschlagen. Der Großteil der Afghanen hat die Invasion von 1979 bis 1989 nicht vergessen. "Es besteht weiterhin eine subtile Feindschaft", sagt Moradian. Andererseits würde langsam aber auch die Hoffnung aufkeimen, über den Konflikt hinwegsehen zu können und einen Schritt weiter zu gehen. Umgekehrt empfinden aber auch Russen eine gewisse Zurückhaltung und Unsicherheit, geht es um Afghanistan.

Ein recht aktives Erbe der Sowjetzeit hingegen sind zahlreiche linksgerichtete afghanische Politiker. "Diese würden sich aber heute nie als Kommunisten bezeichnen", sagt Moradian. Sie seien vollkommen integriert in die politischen Institutionen und vor allem im Verteidigungsministerium, dem Geheimdienst und der Polizei stark. "Als eine kohärente politische Einheit haben sie sich noch nicht organisiert, es gibt aber Bestrebungen im Hintergrund in diese Richtung", so der Politologe. Bleibt somit abzuwarten, wann - gleich dem von den Sowjets in Kabul erbauten Schwimmbad - auch die russisch-afghanischen Beziehungen einen neuen, frischen Anstrich erhalten.