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Planlose Amateure

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Muammar Gaddafi, der Schuft, muss weg - auf der rhetorischen Ebene ist das der kleinste gemeinsame Nenner der Koalition der Willigen im Fall Libyens. Realpolitisch setzt sich damit die internationale Allianz unter erhöhten Erwartungsdruck: Was als UNO-Mission zum Schutz unschuldiger Zivilisten begonnen hat, mutiert so zum Auftrag nach einem Regime-Wechsel unter allen Umständen.


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Einmal ganz abgesehen davon, dass es sich dabei um eine - gelinde gesagt - völkerrechtlich gewagte Interpretation der UNO-Resolution handelt, stellt sich die Frage, wie dieser Regime-Wechsel vonstattengehen soll. Die Aufrüstung von Rebellen hat öfters schon zu unliebsamen Folgen geführt.

Am nachhaltigsten hat sich den USA zweifellos das afghanische Beispiel ins historische Unterbewusstsein eingebrannt, als Washington für den Kampf gegen die Sowjetunion exakt jene islamistischen Strukturen aufrüstete, die sich später gegen den "ungläubigen Westen" wenden sollten.

Niemand kann derzeit mit Sicherheit sagen, dass sich dies in Libyen nicht wiederholen wird. Über die Strukturen, die den Widerstand gegen Gaddafi tragen, ist schlicht viel zu wenig bekannt. Offensichtlich arbeiten die westlichen Geheimdienste mittlerweile mit Hochdruck daran, dieses Informationsdefizit schnellstmöglich zu beheben.

Hinter all dem steht jedoch eine Grundsatzfrage: Der Schutz von Zivilisten gegen Gewalt taugt als universelles Prinzip, die militärische Aufrüstung von Rebellen gegen einen unliebsamen Diktator eher weniger. Wie will der Westen, allen voran die USA, in anderen Fällen vorgehen - etwa im Jemen, in Bahrein, in Syrien?

Es ist ein gefährliches Spiel, wenn sich der Westen einmal mehr darauf einlässt, im islamischen Raum zwischen unterstützenswerten Revolutionen und solchen zu unterscheiden, denen lediglich rhetorische Lippenbekenntnisse guten Willens mit auf den Weg gegeben werden.

Die arabischen Revolutionen sind eine Chance, die in dieser Region schwer angeschlagene westliche Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dazu bedarf es aber einer kohärenten Strategie im Umgang mit dieser panarabischen Bewegung. Nur die ist nicht in Sicht. Der Westen versucht sich auch drei Monate nach der ersten Welle als ambitionierter, aber planloser Amateur. In Libyen und anderswo.