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Der wirtschaftlich angeschlagene Stromsektor kämpft mit unklaren energiepolitischen Vorgaben.
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Wien. Wenn man die österreichische Stromwirtschaft landschaftlich charakterisieren müsste, ergäbe sich das Bild eines Schlachtfeldes. Die niedrigen Strompreise der vergangenen Jahre haben in den Bilanzen der Energieversorger tiefrote Spuren hinterlassen, die Mitarbeiterzahlen sind gefallen, die Strukturen wurden ausgezehrt. Als wäre das wirtschaftliche Umfeld nicht schon brutal genug, so ist die Branche auch noch mit unsicheren politischen Rahmenbedingungen konfrontiert.
So klingen die Worte des neuen Präsidenten von Oesterreichs Energie (OeE), der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, eher wie ein Hilferuf denn eine Kampfansage: "Meine Aufgabe ist das Selbstbewusstsein der Branche zu stärken", sagt Leonhard Schitter, der als Vorstand des Energieversorgers Salzburg AG dem Verbund-Chef Wolfang Anzengruber als OeE-Präsident turnusgemäß nachfolgt. "Wir arbeiten gerade ein Aktionsprogramm aus, das wir der Politik im Herbst vorlegen. Ich nenne sie nicht Forderungen, sondern Vorschläge für die Energiepolitik", sagte Schitter am Montag bei seinem Antritts-Pressegespräch.
Sollten die Vorschläge von der Politik so aufgenommen werden, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, dürfte es etwas länger dauern, bis das Selbstbewusstsein wiedererlangt ist. Es ist kein Geheimnis, dass den Energiethemen unter Reinhold Mitterlehner als Wirtschaftsminister nicht die höchste Priorität zukam. Auch auf Beamtenebene musste die Sektion zuletzt zahlreiche Abgänge verkraften. Mit Harald Mahrer ist die Spitze des Ministeriums zwar neu besetzt, aber im Oktober sind Nationalratswahlen.
Plan für die nächsten15 Jahre fehlt
In der vergangenen Woche wurde eine Einigung über die "kleine Ökostromnovelle" getroffen: Nach monatelangen Verhandlungen haben sich alle Parteien auf dringend notwendige Anpassungen bei den die Energiewirtschaft betreffenden Gesetzen geeinigt. Unter anderem sind darin finanzielle Mittel für den Abbau der Warteschlange für Windkraft-Förderungen vorgesehen. "Natürlich freuen wir uns über die Novelle. Aber ich würde es eher als ‚Dampf ablassen‘ bezeichnen, weil die Gesetze schon ewig nicht angepasst wurden. Alles andere wäre eine Katastrophe gewesen", sagte Stefan Moidl, Geschäftsführer der Interessenvertretung IG Windkraft. "Damit haben wir zwar eine Lösung für die nächsten Jahre, aber keine Richtschnur für die Zukunft. Die Energiepolitik muss bestimmen, was in den nächsten zehn oder 15 Jahren sein soll. Diese Orientierung fehlt in der österreichischen Energiepolitik."
Dabei war ein solcher langfristiger Plan sogar vorgesehen. Bis Ende Juni wollte das Wirtschaftsministerium eine Klima- und Energiestrategie bis 2030 und 2050 ausarbeiten. Das Grünbuch, an deren Ausarbeitung sich alle Betroffenen beteiligen konnten, gibt es zwar bereits seit 2016, die endgültige Strategie wurde aber bis heute nicht präsentiert. Auf Anfrage verweist das Ministerium auf die gelungene kleine Ökostromnovelle, zu der nicht vorhandenen Klima- und Energiestrategie gibt es indes keinen Kommentar. Aus Ministeriumskreisen ist zu vernehmen, dass es sinnlos wäre, "so kurz vor Ende der Legislaturperiode eine Langfriststrategie zu verkünden". Zudem würden die Vorbereitungen für die "große Ökostromnovelle" laufen, erste Ergebnisse seien in den kommenden Monaten zu erwarten.
Energiebranche braucht Rahmenbedingungen
"In den letzten Jahren wurde es verabsäumt, die Energiepolitik auch als Standort-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu sehen", sagt Energie-Steiermark-Vorstand Martin Graf, der bis März 2016 als Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control eng mit dem Ministerium zusammengearbeitet hat. "Ganz wichtig für die Energiebranche sind stabile, planbare Rahmenbedingungen. In den letzten Jahren hat es große Verunsicherung gegeben, weil die Energiepolitik immer nur ein Stückwerk war: ein Energieeffizienzgesetz hier, eine Ökostromnovelle dort. Österreich braucht eine Energie- und Klimastrategie, die aus einem Guss kommt. Mit einem Maßnahmenkatalog, der chronologisch abgearbeitet wird", sagt Graf.