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Plastik dringt in die Organe ein

Von Eva Stanzl

Wissen

Forscher finden Kunststoff-Bausteine in menschlichen Gewebe- und Organproben.


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Im Atlantik schwimmt weitaus mehr Plastik als bisher angenommen. Würde man es auf einen gigantischen Haufen legen, wäre dieser zwischen zwölf und 21 Millionen Tonnen schwer, berichtet das National Oceanography Centre im britischen Southhampton anhand von Messungen bis in 200 Meter Tiefe. Hochgerechnet auf alle Meerestiefen könnte der Ozean 200 Millionen Tonnen Plastikmüll beherbergen.

Meerestiere verschlucken Plastik-Reste mit der Nahrung. So gelangen diese in die Küchen der Menschheit. Unsichtbare Spuren von Kunststoffen werden aber nicht nur verspeist, sondern auch eingeatmet. Produktion und Verbrennung von tausenden Tonnen Plastik verursachen klimaschädigende Abgase, deren Menge jene des Flugverkehrs um das Eineinhalbfache übersteigt. Ein Viertel der Plastik-Emissionen entsteht durch Verpackungen, die nur wenige Tage oder Wochen in Verwendung sind, berichtet die Umweltorganisation Greenpeace.

Wie gesundheitsschädigend ist all dies? Macht Plastik uns krank?

Macht Plastik krank?

Ein US-Team der Arizona State University hat menschliche Gewebeproben analysiert und darin Bausteine von Kunststoffen gefunden. "Es gibt Hinweise, dass das Plastik sich bis ins Innere des Körpers vorbahnt, doch das Gebiet ist wenig untersucht. Noch wissen wir nicht, ob dies eine Gefahr für die Gesundheit darstellt", wird Studienautor Charles Rolsky in einer Aussendung der American Chemical Society zitiert.

Als Mikroplastik gelten Fragmente mit einem Durchmesser von unter fünf Millimeter. Nanoplastik hat 0,050 Millimeter Durchmesser. Studien im Tierreich weisen eine Verbindung zwischen Mikro- und Nanoplastik und Unfruchtbarkeit, Entzündungen und Krebs nach. Über ähnliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit ist derzeit wenig bekannt.

Rolsky and sein Kollege Varun Kelkar von der Arizona State University haben Plastik-Monomere und andere chemische Bestandteile von Kunststoffen in menschlichen Organen gefunden. Mit Hilfe der Massenspektrometrie, ein Verfahren zur Messung der Masse von Atomen und Molekülen, haben sie 47 Proben aus menschlichen Lebern und Fettgeweben untersucht und in jeder Probe Plastik-Bausteine (Monomere), Nano- und Mikroplastik sowie den Weichmacher Bisphenol A, der trotz Verboten nach wie vor in Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommt, gefunden.

"Alle Proben sind mit detaillierten Informationen zu Lebensstil, Ernährung und beruflichen Risiken der Spender versehen. Wir können die Ergebnisse somit auf Ursachen zurückführen und nachvollziehen, woher das Plastik in den Körper gelangt ist", betont Ko-Autor Rolf Halden.

Wie geht der Körper mit diesen Fremdstoffen um? Ein Teil wird ausgeschieden. Medizinuni und Umweltbundesamt Wien konnten Mikro- und Nanoplastik im menschlichen Stuhl nachweisen (die "Wiener Zeitung" berichtete). Doch wird ein anderer Teil vom Körper absorbiert und führt zu Krankheiten? "Wir wollen nicht schwarzmalerisch sein. Doch es ist besorgniserregend, dass biologisch nicht abbaubare Materialien, die sich überall wiederfinden, in Gewebe eindringen und sich dort ansammeln und wir die Auswirkungen auf die Gesundheit nicht kennen", findet Kelkar.

Es gibt noch ein weiteres Problem. Ein britisches Team der Universität Exeter berichtet, dass Plastik-Partikel nicht nur Metalle und Umweltgifte, sondern auch Pathogene wie Viren oder Bakterien transportieren könnten. Das Zentrum für Umwelt, Fischereien und Aquakultur in Exeter hat Mikro- und Nanoplastik in Aquakulturen unter die Lupe genommen. "Immer mehr deutet darauf hin, dass das Mikroplastik im Meer ein Reservoir für Pathogene ist. Auf den winzigen Plastik-Oberflächen finden sich 100 bis 5000 Mal so viele Bakterien, die gegen antibakterielle Substanzen resistent sind, wie auf anderen", erläutert Ceri Lewis von Exeter’s Global Systems Institute.

Aquakulturen, speziell für Austern und Muscheln, sind einer der am schnellsten wachsenden Sparten der Lebensmittel-Industrie. Mit dem Plastik, das sich in ihnen offenbar hält, könnten uns quasi die Meere krank machen, auch da Aquakulturen sich häufig an Küsten vor Ballungszentren finden. In derartigen Hotspots in China wurden laut den Forschern in einer Jakobsmuschelart, der Yesso-Muschel, 57 Mikroplastik-Partikel pro Tier gefunden.