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Platz für 20.000 Menschen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommission schlägt Programm zur Umsiedlung von Flüchtlingen vor.|Quotensystem entzweit Mitgliedstaaten.


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Brüssel. Ein Quotensystem zur Verteilung von Flüchtlingen, Wege zur legalen Einreise und verstärkter Kampf gegen Schlepper: Die Eckpunkte der neuen Migrationsagenda der EU-Kommission waren schon bekannt, bevor die Behörde sie am Mittwoch offiziell vorstellte. Und sie sorgten schon im Vorhinein für Zwist unter den Mitgliedstaaten. Denn während Länder wie Deutschland und Österreich schon seit einiger Zeit für einen Verteilungsschlüssel für Schutzsuchende plädierten, sprachen sich Großbritannien, Ungarn oder die Slowakei dagegen aus.

Die Kommission hält aber an den Plänen fest. 20.000 Menschen sollen auf die 28 EU-Länder aufgeteilt werden, die sich dann um die Migranten kümmern müssen. Das sind weniger Personen als im Vorjahr allein in Österreich um Asyl angesucht haben. Und es entspricht lediglich einem Zehntel der Prognosen, die die Regierung in Rom angestellt hat: Italien rechnet heuer mit der Ankunft von 200.000 Flüchtlingen aus Afrika.

In Wien aber gaben die Vorschläge der Kommission Grund zur Freude. Sie bedeuten nämlich laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine "massive Entlastung" für Österreich. Das Land hätte nach dem Modell der Kommission etwas mehr als zwei Prozent der Schutzsuchenden zu versorgen – derzeit seien es doppelt so viele. Nach den Berechnungen in Brüssel müsste Österreich 444 Menschen aufnehmen.

Die meisten Flüchtlinge, rund 3000, müsste Deutschland betreuen; auf Frankreich würden knapp 2400 Menschen entfallen. Großbritannien müsste fast ebenso viele Schutzsuchende versorgen. Doch lehnte London die Pläne von vornherein ab – und es könnte sich auf seine Ausnahmeklauseln berufen, die es ähnlich wie Dänemark beispielsweise für den Justiz- und Innenbereich ausverhandelt hat.

Änderungen für Asylregeln

Bei der Erstellung der Quote will die Kommission Kriterien wie Wirtschaftskraft, Bevölkerungs- und Arbeitslosenzahl sowie die Asylverfahren in der Vergangenheit berücksichtigen. Bis Jahresende möchte sie diesen provisorischen Mechanismus auch noch durch einen permanenten Schlüssel ergänzen, der bei einem "Massenzufluss" automatisch wirksam werden und verpflichtend sein soll. Das wäre gleichzeitig eine Änderung des nach Dublin benannten Asylsystems, in dem jenes Land für die Verfahren zuständig ist, in dem die Menschen in die EU gelangt sind. Die Konsequenz daraus war, dass im Vorjahr fünf Staaten fast drei Viertel der Anträge zu bearbeiten hatten. Daher kündigte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans schon eine Revision der Dublin-Regelungen an.
Zur Finanzierung des nun geplanten Umsiedlungsprogramms sollen heuer und im kommenden Jahr zusätzlich 50 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Mehr Geld soll es ebenfalls für die Grenzschutz-Missionen "Triton" und "Poseidon" geben: Die Mittel dafür werden verdreifacht und steigen auf neun Millionen Euro monatlich.

Den Kampf gegen Menschenhändler möchte die EU überhaupt verstärken. Ein besserer Austausch von Informationen unter den nationalen Behörden zur Identifizierung von Schlepperbanden gehört ebenso zu den Vorhaben wie die Zerstörung von Schmugglerbooten. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte sich bereits bei den Vereinten Nationen um ein Mandat für eine Operation der Gemeinschaft im Mittelmeer bemüht; am Montag sollen die Außenminister der Union bei einem Treffen in Brüssel darüber beraten. Doch vor einem Marineeinsatz vor der libyschen Küste gilt es noch etliche Fragen zu klären. Anlass zur Sorge gibt nicht zuletzt die instabile Lage in Libyen.

Fehlende Einwanderungspolitik

Weit weniger Raum als der Flüchtlingsproblematik räumt die EU-Kommission in ihrer Migrationsagenda hingegen den Möglichkeiten zur legalen Einreise ein. Doch ist die Einführung einer europäischen Einwanderungspolitik schon bisher am Widerstand vieler Mitgliedstaaten gescheitert, die an ihren jeweiligen Regeln zur Migration festhalten möchten. Daher schlägt die Brüsseler Behörde lediglich eine Überarbeitung der Regelungen zur so genannten Blue Card vor, die etwa hochqualifizierten Arbeitnehmern aus Drittstaaten verliehen werden kann. Außerdem drängt sie auf einen Dialog mit den Sozialpartnern zum Thema Wirtschaftsmigration. Die Länder werden auch dazu aufgerufen, mehr Mittel für Integrationsmaßnahmen einzusetzen.