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Platzmangel im Luxusvollzug

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik

Norwegen exportiert seine Gefangenen in die Niederlande - Schweden lehnte einen entsprechenden Übernahmedeal ab.


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Stockholm. Norwegens Strafvollzug gilt als der großzügigste der Welt. Die therapeutische Betreuung der Kriminellen steht im Mittelpunkt. Die niedrigste Rückfallquote in Europa - unter 30 Prozent - gibt dem Konzept recht. Die rund 4000 Gefangenen leben auf großem Fuß: In norwegischen Gefängnissen gibt es etwa Musizier- und Kunsthobbyräume sowie Wohnungen, in denen Insassen mit Frau und Kindern ungestört sein können.

Doch die hohen Standards in dem durch seine Ölvorkommen reichsten Land Europas haben dazu geführt, dass es inzwischen viel zu wenige Zellen gibt. Weil zahlreiche Gefängnisse für 4,4 Milliarden Kronen (540 Millionen Euro) renoviert werden, verschärft sich die Situation noch einmal. Immer häufiger berichten norwegische Zeitungen von Verurteilten, die vorläufig freigelassen werden, weil es keine Plätze mehr im Strafvollzug gibt - unter ihnen auch gefährliche Straftäter. Norwegen will sie künftig exportieren.

Nachdem das Nachbarland Schweden die Übernahme von norwegischen Gefangenen abgelehnt hat, ist das Justizministerium in Oslo nun dabei, eine Übereinkunft mit den Niederlanden erzielen. Zunächst sollen rund 300 norwegische Verurteilte auf niederländische Gefängnisse verteilt werden. Vor allem Verurteilte mit besonders langen Haftstrafen sollen transferiert werden. "Wir haben einen Dialog mit den niederländischen Behörden, um kurzfristig unsere Kapazitäten zu erhöhen. Derzeit liegen wir mit 1300 nicht realisierten Gefängnisstrafen zurück. Die Nachfrage nach Gefängnisplätzen ist groß", erklärte jüngst Justizminister Anders Anundsen.

Die Gefangenen stünden in den Niederlanden weiterhin unter der Regie des norwegischen Strafvollzuges. "Wir wollen einfach nur die Zellen in den Niederlanden mieten, aber unter norwegischen Bedingungen, mit norwegischen Wärtern, die Strafen sollen nach norwegischer Gesetzgebung durchgeführt werden", betont der Minister.

Deal soll Anfang 2015 stehen

Die Regierung in Den Haag signalisierte am Montagabend Zustimmung. In den Niederlanden herrschen Überkapazitäten, und das Land verspricht sich durch die Vermietung von Zellenplätzen willkommene Zusatzeinnahmen. Ein Anders Behring Breivik (rechtsextremer Terrorist, der 2011 77 Menschen tötete und dafür 21 Jahre Haft erhielt) würde nicht nach Holland kommen, versicherte der Staatssekretär für Strafvollzugswesen, Fred Teeven, dem niederländischen Parlament. Und: Die Gefangenen würden nach Absitzen ihrer Strafe direkt nach Norwegen zurückgeflogen und nicht in den Niederlanden resozialisiert. Den Haag und Oslo gehen jedenfalls davon aus, dass der Deal Anfang 2015 unter Dach und Fach ist.

Neuland betreten die Niederlande damit nicht: Sie haben bereits Zellen für über 500 Gefangene an den Beneluxnachbarn Belgien vermietet. Doch es ist das erste Mal, dass Den Haag weit über die Landesgrenzen hinaus Verurteilte aufnimmt. Die geografische Distanz wird auch logistisch eine Herausforderung sein. Nicht nur die Überführung und Rücküberführung der Häftlinge ist aufwendig, auch das Recht für inhaftierte Norweger, Angehörigenbesuch im Gefängnis zu empfangen, muss gewährleistet werden. In wieweit der norwegische Staat dann für Familienzusammenführungen, etwa durch die Bereitstellung von Flugtickets aufkommt, ist bisher unklar.

Justizminister Anundsen von der einwanderungsfeindlichen Fortschrittspartei schwebt aber ohnehin vor, vor allem Straftäter in die Niederlande zu schicken, die ausländische Staatsbürgerschaften haben und aus Norwegen ausgewiesen werden sollen.

Menschenrechtler entsetzt

Norwegische Menschrechtler kritisieren das Vorhaben scharf. Norwegen sei dabei, ein quasirassisches Zweiklassenstrafwesen einzuführen. So würden kriminelle Norweger weiterhin in den gut ausgestatteten norwegischen Gefängnissen untergebracht, während die oft aus südlichen Regionen wie Afrika stammenden Kriminellen ins Ausland geschickt und vergessen würden. Dass sich die Rechtsaußenregierung in Norwegen um deren Haftbedingungen in den Niederlanden tatsächlich kümmern werde, sei mehr als fraglich, sind die Kritiker überzeugt.