Von Mittwoch bis Sonntag treffen sich in Tirol Politiker und Wirtschaftsbosse zum informellen Austausch. Das Bilderberg-Treffen in Telfs umranken Mythen.
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Telfs. Die Gemeinde Telfs mit ihren 15.000 Einwohnern schafft es selten in die Schlagzeilen. Vor ein paar Jahren, als hier unter Begleitung heftiger Kontroversen das erste Minarett in Tirol gebaut wurde, war das so. Die Aufregung um das Minarett ist längst abgeklungen, dieser Tage ist die Gemeinde im Oberinntal aber wieder im Gespräch.
Von Mittwoch bis Sonntag findet im Hotel Interalpen Tyrol auf dem oberhalb des Ortes gelegenen Plateau Buchen das 63. Bilderberg-Treffen statt. Zum zweiten Mal nach 1988 wird die Konferenz in dem Fünf-Sterne-Hotel abgehalten. Während Telfs wieder in den Schlagzeilen ist, herrscht rund um den Tagungsort in den kommenden Tagen Ausnahmezustand. Am Mittwoch um 12 Uhr Mittag tritt rund um das Hotel ein Platzverbot in Kraft, die Zufahrtsstraße wird komplett gesperrt.
Auch ein Flugbeschränkungsgebiet ist eingerichtet. Bis Sonntagabend sind im Umkreis von 50 Kilometern des Tagungsortes sämtliche Flugbewegungen untersagt. Das betrifft neben dem üblichen Flugverkehr auch Leichtflugzeuge, Drohnen sowie Paragleiter. Dazu gibt es in unmittelbarer Nähe des Tagungsortes zwei Straßen-Checkpoints der Polizei, an denen der Durchzugsverkehr einer selektiven Kontrolle unterzogen wird. Insgesamt sind allein auf österreichischer Seite 2100 Polizeibeamte im Einsatz, auch in Bayern gibt es nach Ende des G7-Gipfels auf Schloss Elmau noch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.
All das trägt nicht dazu bei, das geheimnisvolle und sagenumwobene Bild der Bilderberg-Treffen in ein offenherziges Licht zu rücken. Um eine heimliche Weltregierung handle es sich bei den Zusammenkünften, sagen Kritiker und Verschwörungstheoretiker, die die Bilderberger schon einmal für die Ölkrise 1973, den Ausgang von US-Präsidentenwahlen, die deutsche Wiedervereinigung oder den Irak-Krieg 1991 verantwortlich machen.
Als ganz unbedeutend betrachten die Bilderberger ihren Einfluss auch selbst nicht. So verwies der langjährige Vorsitzende des Bilderberg-Lenkungskomitees Étienne Davignon, ehemaliger Vizepräsident der EU-Kommission aus Belgien, einmal darauf, dass die Bilderberg-Treffen in den 1990er Jahren bei der Entstehung des Euro geholfen hätten.
Die Konferenz selbst sieht sich als informelles Forum für politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger, nach Telfs kommen heuer 140 Teilnehmer aus 22 Ländern. Erstmals lud 1954 der niederländische Prinz Bernhard ins Hotel de Bilderberg in Oosterbeek, daher auch der Name der Konferenz. Ziel war damals, den Dialog zwischen den USA und Europa zu verbessern. Auch heute noch kommen rund zwei Drittel der Teilnehmer aus Europa, ein Drittel reist aus den USA an.
"Höchstmögliche Diversität"bei Teilnehmern
Die Zusammensetzung wählt das 34-köpfige Lenkungskomitee der Bilderberger aus, in dem Österreich mit Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten vertreten ist. Ziel ist es dem Komitee zufolge, bei den Teilnehmern "höchstmögliche Diversität in Bezug auf den Hintergrund, die Ansichten, Generationen und Geschlecht" zu erreichen. Doch gerade bei Letzterem scheitert man regelmäßig, wie auch der ehemalige SPÖ-Kulturminister selbst zugibt. "Die Verteilung zwischen Männern und Frauen ist altmodisch. Das ist eigentlich absurd", sagte Scholten in einem ORF-Interview.
Besonders glücklich sind die Bilderberger mit der Zuschreibung, ein Geheimbund zu sein, nicht. Wohl auch deshalb wurde heuer die Teilnehmerliste schon im Vorfeld veröffentlicht. Österreich ist dieses Jahr besonders stark mit neun männlichen Teilnehmern vertreten. Das offizielle Österreich ist nur durch Bundespräsident Heinz Fischer vertreten, aus dem Gastgeberland Tirol ist Immobilieninvestor René Benko dabei. Dazu sind neben Scholten unter anderem auch die Bankchefs Karl Sevelda von Raiffeisen und Erich Hampel von der Bank Austria vertreten. Neben Diversität geht es bei der Einladungspolitik auch um Finanzielles, wie Scholten einräumt: "Es gibt eine gewisse Anerkennung derer, die auch diese Konferenz sponsern, dass sie einen Vertreter senden können."
Ein Mitgrund für die Geheimniskrämerei um die Konferenz liegt in den Regeln des Treffens. Es gilt die "Chatham House Rule", die Teilnehmer dürfen nicht direkt zitiert werden, nur die Inhalte der Treffen sollen nach außen dringen. Dadurch will man sicherstellen, dass tatsächlich Klartext gesprochen wird. "Das trägt der Belebung einer Diskussion bei", sagt Scholten.
Kritiker veranstalten Alternativkonferenz
Den zahlreichen Kritikern der Konferenz genügt das freilich nicht. So kritisierte erst am Dienstag FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky das Treffen. Zur Plattform "Bilderbergproteste 2015" gehören unter anderem Attac Tirol, die KPÖ, die Grünen und das Friedensforum Innsbruck. Für Samstag haben sie zu einer Großdemonstration im Zentrum von Telfs aufgerufen, zu der die Plattform 1000 bis 2000 Teilnehmer erwartet.
Am Freitag halten die Organisationen im Innsbrucker Treibhaus eine Alternativkonferenz ab. Kritisiert werden neben den generellen Bedenken die Kosten für die Allgemeinheit durch die Sicherheitsvorkehrungen. Für den G7-Gipfel auf Schloss Elmau und die Bilderberg-Konferenz bleiben Österreich voraussichtlich Ausgaben von 5,6 Millionen Euro.