Blitz-Insolvenz als attraktiver Neustart für US-Autokonzerne. | Was passiert unter der Aufsicht des Konkursrichters? | Sanierung auf Kosten der Gläubiger und Mitbewerber. | Wien. Im Überlebenskampf der angeschlagenen US-Autokonzerne häufen sich die Anzeichen, dass Insolvenzverfahren kurz bevorstehen. "Wir müssen General Motors neu erfinden, und wir müssen das in einer sehr, sehr kurzen Zeit schaffen", erklärte der neue Chef des Autoriesen, Fritz Henderson. Auch Chrysler scheint alleine nicht überlebensfähig. Wenige Tage bleiben noch, um einen Partner zu finden, sonst droht dem Konzern die Zerschlagung.
Was erschreckend klingt, ist für viele US-Firmen - von Fluglinien bis hin zu Banken - seit Jahren eine willkommene zweite Chance, die in vielen Fällen zu einer wesentlich besseren Marktstellung führt. Der Ausweg heißt: Insolvenz nach "Chapter 11".
Pleitegehen trotz Zahlungsfähigkeit
"Um eine Insolvenz in den USA anzumelden, muss das Unternehmen nicht wie in Österreich unbedingt zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Es reicht, einen Reorganisationsbedarf aufzuzeigen", erklärt Paul Luiki, Partner bei der Kanzlei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte.
Entscheidend sei, dass das Konkursgericht und zumindest ein Teil der Gläubiger dem vorgelegten Sanierungsplan zustimmen. Dies wird meist dadurch erreicht, dass den Gläubigern auch Beteiligungen am restrukturierten Unternehmen angeboten werden.
Von Nachteil ist allerdings, dass ein Chapter-11-Verfahren Jahre dauern kann. Die Erstellung eines Sanierungsplans, die vielen Antragsmöglichkeiten der Gläubiger und Anhörungen vor Gericht kosten Zeit und Geld, gibt Luiki zu bedenken. Ein Zeitraum, den die wankenden Autobauer alleine finanziell nicht durchtauchen könnten. Zu viele Gläubiger - von Gewerkschaften und Händlern bis hin zu Anleihenhaltern - würden den Ablauf bremsen.
Immer wieder ist daher im Zusammenhang mit den maroden Autobauern von einer Blitz-Insolvenz die Rede. Die Schuldner versuchen bereits vor Einbringung eines Chapter-11-Antrages, eine Vorwegeinigung mit den Beteiligten zu erzielen. Eine Regelung der US-Konkursordnung erlaubt es - mit Zustimmung des Konkursgerichtes -, gesunde Vermögenswerte zu verkaufen, um den Betrieb schnell zu restrukturieren.
Zuletzt machte man von dieser Regelung bei Lehman Brothers Gebrauch. Die britische Großbank Barclays übernahm im Vorjahr innerhalb weniger Tage Kernbereiche der zusammengebrochenen US-Investmentbank.
US-Regierung als"Käufer der Zuckerln"
Ein ähnliches Szenario wird jetzt auch bei General Motors & Co. erwartet. Luikis Vermutung: "Die US-Regierung könnte eine Käufergesellschaft aufstellen und die Zuckerln wie Cadillac, Chevrolet oder Opel vom insolventen Autohersteller aufkaufen und dann neue Investoren an Bord locken."
Parallel dazu blieben die wenig zukunftsfähigen Marken in der ursprünglichen Gesellschaft. Sie würden längere Zeit unter Gläubigerschutz weiterbestehen oder verkauft. Im Ernstfall droht "Chapter 7" - das klassische US-Konkursverfahren, bei dem die Anteile liquidiert werden.
"Im Vergleich zu Europa lässt das US-Insolvenzrecht den Firmen mehr Spielraum für eine Sanierung", stellt Luiki fest. Eine Mindestquote für die Rückzahlung der Gläubigeransprüche - wie etwa die österreichische 20-Prozent-Quote bei Zwangsausgleichen - gibt es in den USA nicht.
Genauso wenig ist es üblich, dass ein Masseverwalter bestellt wird, der wie hierzulande die Zügel an der Firmenspitze in die Hand nimmt. "Unter Chapter 11 führt meist der Schuldner selbst die Geschäfte fort, während an der Sanierung gearbeitet wird", so Luiki.
Die Schattenseiten: Bei einer Insolvenz nach "Chapter 11" sind häufig die Aktionäre die Leidtragenden, weil es für sie sogar zum Totalverlust kommen kann, so der Rechtsexperte. Auch andere Gläubiger erleiden oft große Einbußen. Kritiker werfen weiters ein, dass eine Insolvenz unter Mithilfe der US-Regierung die anderen Autobauer im Wettbewerb benachteilige.