In der Baubranche steigen die Pleiten, 2012 werden sie generell zunehmen.
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Wien. Der burgenländische Solarmodul-Hersteller Blue Chip Energy, die Tullner Druckerei-Gruppe Goldmann, der Spieleentwickler JoWood oder das Anlage-Konglomerat R-Quadrat – die Insolvenzstatistik für die ersten neun Monate des heurigen Jahres ist gespickt mit namhaften Großpleiten.
Laut Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform sind die Unternehmensinsolvenzen aber bisher um 6,6 Prozent auf 4645 Fälle zurückgegangen; jene Pleitefälle, die gerichtlich gar nicht aufgearbeitet werden können, weil nicht das geringste Vermögen dafür vorhanden ist, verringerten sich sogar um 7,2 Prozent. Auf den ersten Blick ist das ein gutes Zeichen. Doch dieser Rückgang wird nach Angaben der Creditreform-Experten nur kurzfristig anhalten.
Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, erwarten die drei Gläubigerschutzverbände AKV, Creditreform und KSV1870 in Kürze eine Trendumkehr – aufgrund der ausgedehnten Schulden- und Bankenkrise beziehungsweise wegen der sich verschlechternden Wirtschaftslage. Ein neuerlicher empfindlicher Anstieg der Firmeninsolvenzen könnte drohen, vor allem dann, wenn der private Konsum zurückgeht. Die angespannte Wirtschaftslage sorgt für Insolvenzen quer durch alle Branchen.
Rund zwei Milliarden Schulden haben die 4645 Pleitefirmen angehäuft, mit etwa 410 Millionen Euro Verbindlichkeiten entfällt der größte Brocken auf bankrotte Sachgütererzeuger.
Die meisten Firmenzusammenbrüche verzeichnete bisher der Handel mit 939 Fällen, gefolgt von den "unternehmensbezogenen Dienstleistern (775 Fälle), der Baubranche mit 738 Pleiten und der Gastronomie und Hotel-Branche mit 728 Insolvenzen.
Anstieg um 3,9 Prozent
In der Baubranche haben die Insolvenzen um 3,9 Prozent oder 28 Fälle zugelegt. Dramatisch ist jedenfalls die Insolvenzdichte am Bau: Auf tausend Baufirmen kommen 31 Pleiten; der branchenneutrale Insolvenz-Durchschnitt beträgt 13 Pleiten auf tausend Firmen. "Die Insolvenzquote am Bau beträgt jetzt fast das Dreifache des Bundesdurchschnitts. In der Krise war der Bau noch nicht das Sorgenkind, jetzt haben wir am Bau die komplette Trendumkehr", sagt Gerhard Weinhofer, Insolvenzexperte von Creditreform. "Der Bau erhält von der öffentlichen Hand weniger Aufträge, diese waren früher das Stimulans." So seien die krisenbedingten Infrastrukturprojekte ausgelaufen und die Alt-Aufträge mittlerweile abgearbeitet. Insgesamt wurden von Creditreform bisher 738 Pleiten am Bau registriert.
30 Prozent Sozialbetrug
Laut Wolfgang Hrobar vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) haben diese zahlungsunfähigen Baubetriebe mindestens 316 Millionen Euro Schulden angehäuft. Das Gros der gestrauchelten Baugesellschaften ist eher klein und hat zehn bis 20 Mitarbeiter. Da gehört die Wiener Baumeisterfirma Groll, die am vergangenen Mittwoch Insolvenz beantragte, mit 43 Mitarbeitern und 8,3 Millionen Euro Verbindlichkeiten zu den mittelgroßen Brocken.
Die Zunahme des Sozialbetrugs am Bau ortet Insolventexperte Hrobar vor allem in der Bundeshauptstadt. "Die Insolvenzzahlen in Wien hängen eng mit Sozialbetrug zusammen, in 30 Prozent der Baupleiten handelt es sich um klassischen Sozialbetrug", sagt AKV-Experte Hrobar. "Wir hatten eigentlich geglaubt, dass es sich gebessert hat, weil zwei Monate lang weniger passiert ist." Nachsatz: "Wir haben Leute von solchen Baufirmen in drei Jahren sieben Mal im Konkursgericht sitzen." Die Firmenadresse bleibt oft gleich, aber der Name wird geändert oder ein Strohmann als Geschäftsführer eingesetzt. Indes rechnet Experte Weinhofer im nächsten Jahr mit mehr Firmenpleiten. "2012 kommt der Zahltag", sagt Weinhofer: "Die Banken werden aus Eigeninteresse die Firmen nicht mehr durchschupfen, Kredite nicht verlängern und Zinszahlungen nicht mehr stunden."