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Plenum 18.11.: Anpassungsfaktor Politikerbezüge

Von Ferdinand Krenn

Politik

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Angenommen, Sie hätten einen Dienstvertrag, der Ihnen für das kommende Jahr eine Gehaltserhöhung von 3,3 Prozent garantiert, würden Sie auf diese Gehaltserhöhung freiwillig verzichten und von

plötzlicher Bescheidenheit befallen, meinen, 0,6 Prozent reichen völlig aus und bittebitte nicht mehr als die Inflationsrate! Die Gehaltserhöhung dürfe auch nicht höher als die Gehaltserhöhung der

Pensionisten ausfallen, auch wenn im Dienstvertrag diese Beschränkungen und Klauseln nicht enthalten sind?

So bescheiden verhielten sich die österreichischen Abgeordneten zum Nationalrat als sie in ihrer Sitzung am 18. November 1999 auf die offizielle Gehaltserhöhung von 3,3 Prozent verzichteten und sich

mit 0,6 Prozent Gehaltserhöhung begnügen wollen. Künftig werden die Pensionen an die Inflationsrate gebunden und dürfen auch nicht höher als die Pensionserhöhungen ausfallen. Dieser Antrag wurde in

dieser Novembersitzung eingebracht und soll am 15. Dezember 1999 beschlossen werden.

Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Am 27. September 1999 veröffentlichte der Rechnungshof eine frohe Botschaft für alle Politiker, die ihre Bezüge nach dem Politikerbezügegesetz 1997 erhalten: Die Bezüge sollen ab 1. Jänner 2000 um

3,33 Prozent steigen. Das ergaben die Berechnungen aus der durchschnittlichen Lohnentwicklung: Nach Angaben des Österreichischen Statistischen Zentralamts stieg das durchschnittliche Pro-Kopf-

Einkommen je Arbeiternehmer von 28.225 Schilling im Jahr 1996 auf 29.360 Schilling im Vorjahr. Nach der Lohnentwicklung im Vorjahr wird der Anpassungsfaktor für das Bezügegesetz berechnet. In diesem

Fall exakt: 1,040212578. Ausgangsbetrag ist das durchschnittliche Abgeordnetengehalt in der Höhe von 100.000 Schilling, festgeschrieben in der sogenannten Gehaltspyramide. 1998 gab es bereits eine

Erhöhung um 0,7 Prozent. Daher hätte ab 1. Jänner 2000 ein Nationalratsabgeordneter 104.022 Schilling (statt bisher 100.669 Schilling) erhalten.

Polit-Caritas

Die Bekanntgabe der Erhöhung der Politikerbezüge durch den Rechnungshof · knapp eine Woche vor den Nationalratswahlen · versuchte die FPÖ für Wahlpropaganda zu nutzen und forderte prompt eine Null-

Lohnrunde für Politiker: "Unerträgliche Provokation" wetterte Jörg Haider, erinnerte daran, dass die FPÖ als einzige Partei dem Bezügegesetz nicht zugestimmt hatte und empfahl am 3. Oktober dieser

"Selbstbedienungsmentalität" eine Absage zu erteilen.

Die Regierungsparteien reagierten mit prompten Armutsgelöbnissen: Sofort verkündete Bundeskanzler Viktor Klima, dass die gesamte Bundesregierung auf die 3,3 Prozent Gehaltserhöhung verzichten will.

Alle SPÖ-Abgeordnete wollen die Bezügeerhöhung karitativen Zwecken spenden, kündigte SPÖ Klubobmann Kostelka an. Für die ÖVP verriet Vizekanzler Wolfgang Schüssel, dass die ÖVP-Abgeordneten dem SOS-

Kinderdorf ihre Politikerbezüge-Erhöhung spenden wollen.

Der Klubobmann der Grünen, Alexander Van der Bellen, sieht in den plötzlichen Armutsgelöbnissen eine "populistische Aktion". Für ihn ist die einzig richtige Lösung, das Gesetz zu ändern und die

Valorisierung zu streichen. Auch die Liberalen meinen, man solle zu dem stehen, was man beschlossen hat oder es ändern.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas äußert den Verdacht, dass mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Erhöhung als auch mit der Höhe des Bezüge-Prozentsatzes der Rechnungshof Wahlhilfe betreiben

möchte. Dieser Verdacht wird vom Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler entschieden zurückgewiesen: Sowohl der Zeitpunkt der Veröffentlichung als auch das Zahlenmaterial zur Berechnung der Anpassung

sind im Bezügegesetz klar vorgegeben und geregelt.

Wertedebatte

Die Politikerbezüge sind auch Thema der ersten Arbeitssitzung des neu gewählten Nationalrats am 18. November 1999. Gesetzesbeschlüsse werden noch keine gefasst. Alle vier Parteien haben sich schon

in Vorgesprächen geeinigt, dass 3,3 Prozent Bezügeerhöhung zuviel sind. Auf der Suche nach einer neue Anpassungsformel wollen SPÖ und ÖVP künftig die Bezüge an die Inflationsrate koppeln. FPÖ und

Grüne wollen keine Automatik und wollen jedes Jahr eine neue Verhandlung und einen neuen Gesetzesbeschluss.

FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner hebt hervor, dass 1997 das Bezügegesetz von allen anderen Parteien gegen den Widerstand der FPÖ beschlossen wurde und seine Partei die Erhöhung der Politikerbezüge um

3,3 Prozent im Vergleich zur Erhöhung der Pensionsbezüge um 0,6 Prozent "untragbar" findet.

Abg. Josef Cap (SPÖ) versucht, in seiner Rede ironisch zu sein und vermutet, dass junge FPÖ-Abgeordnete, ihrem Obmann auf die Frage, wieviel sie als Politiker wert seien und verdienen möchten, im

Chor "Nichts, nichts" antworten müssten. Die FPÖ missbrauche das Thema und schädige die Politik, weil sie signalisiere, "dass Abgeordnete nichts wert sind."

Abg. Gottfried Feurstein (ÖVP) verweist auf die Beschlussfassung des Bezügegesetzes. Damals hätte niemand den Anpassungsfaktor kritisiert. Dass durch die Koppelung an die Durchschnittseinkommen 3,3

Prozent herausgekommen sind, liege daran, dass die volkswirtschaftliche Gesamtberechnung im Bezugszeitraum geändert wurde. Die FPÖ kritisiert zwar Privilegien, nimmt aber diese Privilegen in

Anspruch. Auch Van der Bellen, wirft der FPÖ vor, die Bezügeregelungen 1997 zu kritisieren, aber beim Bezügebegrenzungsgesetz hätten nicht alle davon betroffenen FPÖ-Abgeordneten auch für eine

Begrenzung ihrer Bezüge gestimmt. Wenn jetzt die Politikereinkommen von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden, dann sieht Van der Bellen bereits nach dieser Legislaturperiode die

nächste Neuregelung kommen. Sein Wortspiel zur Wertedebatte "dass Politiker nicht verdienen, nichts zu verdienen."

Aber spätestens am 15. Dezember 1999 werden die Politiker beschließen, dass sie doch etwas weniger mehr verdienen wollen. Nicht schon ab 1. Jänner 2000 sondern ab 1. Juli 2000 sollen die Bezüge nicht

um 3,3 Prozent sondern um 0,6 Prozent erhöht werden.

Offen bleibt, ob in der nächsten Legislaturperiode laut Alexander Van der Bellen als künftiger Anpassungsfaktor das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung, die Inflationsrate, die Höhe der Pensionen

oder als Haupt-Anpassungsfaktor ein neuer populistischer Vorschlag der FPÖ gelten wird. Õ

Ferdinand Krenn ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion