Parteien haben ausgedient. Heute werden Bewegungen gegründet. Oft ist das aber nur ein Werbetrick.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wen man modern wirken möchte, nennt man sich heute nicht mehr Partei, sondern Bewegung. Der Begriff wird als neu und unberührt verkauft. Bewegung hört sich "unschuldig und unaufhaltsam" an, wie kürzlich die deutsche Wochenzeitung "Zeit" formulierte, nicht starr und verkopft, wie traditionelle Parteien wirken, die für viele nur gebrochene Versprechen und bittere Kompromisse aus vergangenen Jahrzehnten hinter sich herziehen. So jedenfalls die gängige Meinung der plötzlich Bewegten. Oft steht hinter diesen Bewegungen aber nichts Neues. In erster Linie wird hier versucht, die Politik dadurch zu erobern, indem man einfach keine Partei mehr ist. Vor allem aber geht es darum, sich nach außen hin möglichst unideologisch zu geben.
Genau das versucht nun Peter Pilz, der allerdings aus eben dieser Parteipolitik kommt. Am Dienstag verkündete er das, was sich seit seiner Niederlage beim Bundeskongress der Grünen abgezeichnet hatte. Pilz tritt bei der Nationalratswahl mit einer eigenen Liste an. Die notwendigen Unterschriften von drei Nationalratsabgeordneten habe er. Von wem sie stammen, wird aber noch nicht verraten. Auch welche Leute mitziehen, stehe noch nicht vollends fest. Klar sei aber, dass Pilz "alles Mögliche gründen möchte, nur keine Partei".
Unideologische Grundwerte
Die Liste des Routiniers will sich als Bewegung besorgter Bürger verstehen, die dem demokratischen Prozedere enttäuscht den Rücken zugekehrt haben. Pilz selbst schätzt, dass er zehn Prozent der Wähler erobern könnte. Dass er und seine Mitstreiter die Vier-Prozent-Hürde überwinden werden, scheint für ihn außer Frage zu stehen. Wofür die Liste Pilz steht, ist allerdings unklar. Pilz wollte sich auch nicht festlegen. Der Aufdecker sagt, jeder in der Bewegung werde seine eigene Meinung und Expertise vertreten. Klubzwang, den es laut Verfassung aufgrund des freien Mandats gar nicht geben kann, soll es nicht geben.
Nachdem es sich also um keine Partei handelt, soll es auch kein sonst übliches Parteiprogramm geben. "Bei uns sind die Personen die Programme", sagt Pilz. Auch das antiquierte Links-Rechts-Schema soll ausgedient haben, auch wenn Pilz im selben Atemzug wieder von "gemeinsamen Zielen und Grundwerten" spricht, die dann doch wieder auf eine politische Grundausrichtung hindeuten. Gerechtigkeit, etwa bei Steuern, Sicherheit und Freiheit, lauten die noch unkonkreten Eckpfeiler der Liste. Im Sinne der Heimat Europa und der Heimat Österreich. Auch von der FPÖ grenzt sich Pilz entschieden ab.
Die ersten vier Unterstützer stellten sich am Dienstag vor. Es sind dies Maria Stern, die zuletzt am Frauenvolksbegehren mitwirkte, Konsumentenschützer Peter Kolba und Sebastian Bohrn Mena, der für die Liste Pilz aus der SPÖ austrat und für den Tierschutz eintreten will. Stephanie Cox wiederum hat Erfahrung bei der Integration geflüchteter Menschen. Das klingt nach einem rot-grünen Anstrich. Zumindest sind die Kandidaten in diesen Milieus bekannt. Also doch zurück zu alten Tugenden?
Neue alte Hierarchien
In jüngster Vergangenheit zog Sebastian Kurz auch eine Bewegung auf, um sich als Alternative zu den verkrusteten Parteien zu empfehlen. Vor allem als Alternative zu seiner eigenen. Kurz wurde mit 27 Jahren Außenminister. Über Unbeweglichkeit dürfte er also als Letzter klagen. Seine Bewegung aber wird nicht von einem neuen politischen Anliegen angetrieben. Die einflussreichen schwarzen Kammern und Bünde gestanden Kurz zwar weitläufige Kompetenzen zu. Diese dürften aber schnell der Vergangenheit angehören, wenn die Zukunftshoffnung nicht liefert. Im Grunde wird die ÖVP weiter von einer klaren, traditionellen Hierarchie geführt. Das hat nichts mit der Idee einer neuen Bewegung zu tun, als solche sie nach außen hin verkauft wird.
"Ich glaube, dass das mit der Bewegung ein Marketinggag ist", sagt der Politikexperte Thomas Hofer. "Man muss sich schon fragen, ob das nicht einfach nur anders heißt, weil es besser klingt." Bei der "Neuen Volkspartei" sieht Hofer keine fundamentale Veränderung. Unter Kurz werde man auch weiterhin auf den Landes- und Regionalwahllisten der ÖVP Personen aus den alten Parteikadern und Bünden sehen. Von einer wirklich gravierenden Veränderung der Parteistrukturen sei Kurz noch weit entfernt.
Von der Bewegung zur Partei
Ähnlich wie Pilz stampfte Matthias Strolz die Neos aus dem Boden. "Bei Neugründungen lässt sich natürlich besser an den Parteistrukturen arbeiten", so Hofer. Auch die Neos ließen sich vom Bewegungsgedanken beseelen und betonen bei jedem neuen dieser politischen Gebilde dieser Tage, dass sie die Ersten waren. Die Neos bezeichnen sich seit jeher als "postideologische Zentrumspartei". Also doch Partei? Und ideologisch haben sich die Pinken doch dem Liberalismus verschworen. "Auch die Neos haben den Gedanken nicht bis zum Ende durchgehalten", sagt Hofer. "Ehemalige Politiker des Liberalen Forums haben dort jeden zweiten Listenplatz bekommen und Strolz hatte den Industriellen Hans Peter Haselsteiner finanziell im Rücken." Ganz ohne alte Mittel geht es offenbar auch nicht.