)
Jetzt stürmen die Menschen die Teststationen. Das ist gut, aber auch rätselhaft.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Weihnachtsfeiertage stehen vor die Tür - und die Menschen stürmen die Teststationen quer durch die Republik und teils über deren Kapazität hinaus.
Nur zur Erinnerung: Als der Kanzler am 15. November zur Überraschung sogar des eigenen Koalitionspartners Massentests für die Zeit unmittelbar vor Weihnachten ankündigte, hieß es, niemand werde sich kurz vor den Feiertagen testen lassen, wenn dann Quarantäne drohe. "Wenn Sie Weihnachten in Ruhe feiern wollen, dann lassen Sie sich nicht testen", erklärte die freiheitliche Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch.
Prompt zogen sämtliche Bundesländer die Massentests in die erste Dezember-Hälfte vor. Genutzt hat es nicht: Die Beteiligung lag irgendwo zwischen 13,1 (Wien) und 36,4 Prozent der Bevölkerung (Niederösterreich). Womöglich hatte einmal mehr die FPÖ beim Gespür für die Untiefen der menschlichen Natur die bessere Nase.
Was dafür jetzt fehlt, ist allerdings eine einleuchtende Erklärung, warum die Menschen jetzt doch einen Test unmittelbar vor den Feiertagen wollen. Dabei gibt es - im Unterschied zum geplanten Freitesten ab 15. Jänner - nicht einmal einen positiven Anreiz, außer den, gefährdete Personen im eigenen Familien- und Freundeskreis nicht zu infizieren. Immerhin würde diese Erklärung das zynische Menschenbild des Homo Austriacus, dem sich die FPÖ andient, zum Empathischeren korrigieren.
Wenig macht Sars-CoV-2 schneller lächerlich, als all die unzähligen aus der Hüfte geschossenen oder, schlimmer noch, dem parteipolitischen Opportunismus geschuldeten Instant-Meinungen, die längst nicht nur in den Sozialen Medien grassieren, sondern auch die Meinungsseiten der etablierten Medien und die unzähligen Talkshows mitprägen.
Wie sehr noch im zehnten Monat der Pandemie Panik und Unsicherheit das Handeln bestimmen, zeigt die Rasanz, mit der Großbritannien nun in Quarantäne geschickt wurde, weil auf der Insel eine mutierte Variante des Virus zirkuliert. Was es mit dieser Mutation tatsächlich auf sich hat, darüber gibt es außer Behauptungen vor allem Spekulationen. Beides reichte, um den Briten einen Vorgeschmack auf einen chaotischen Brexit zu geben.
Instinkte, Kettenreaktionen, Herdenverhalten prägen im Angesicht von Risiken unser aller Verhalten. Das ist bei Staatschefs nicht viel anders als bei einfachen Bürgern. Und irgendwer hat dazu mit Sicherheit eine Instant-Erklärung parat.