Muslime begrüßen neue Regelung für Islam-Unterricht. | "Wiener Zeitung" befragte Betroffene. | Wien. Es scheint so, als wenn die Debatte rund um den Islam immer zu Jahresbeginn höchst aktuell wird.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Anfang 2006, als die österreichische Botschaft (in der ersten Jahreshälfte 2006 hatte Österreich den EU-Vorsitz inne) in Teheran wegen zwölf dänischer Mohammed-Karikaturen "stellvertretend" attackiert wurde, wurde weltweit - mit und ohne Gewalt - lang und breit über Islam und Pressefreiheit diskutiert.
2008 erregten die FPÖ-Politikerin Susanne Winter mit ihrer Aussage, der Prophet Mohammed sei im heutigen System ein Kinderschänder, und der holländische Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Hasstirade gegen den Koran, dem Film "Fitna", die Gemüter. Und 2009 schafft es eine Studie von Mouhanad Khorchide über islamische Religionslehrer, den Islam in den Mittelpunkt der österreichischen Berichterstattung zu stellen.
Bei einem Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" in muslimischen Kreisen in Österreich stellt sich heraus, dass die Betroffenen selbst alles andere als erfreut sind über die jüngste Debatte rund um ihre Religion. "Plötzlich wimmelt es in Österreich nur so von selbsternannten Islamexperten. Die meisten können aber nicht einmal Arabisch und haben nicht einen blassen Schimmer, was wirklich in unserer Community abgeht", ärgert sich Faizal (Name geändert und der Redaktion bekannt, Anm.).
"Wer hier leben will, muss sich anpassen"
Faizal ist heute 20 Jahre alt und besuchte bis 2006 eine jener islamischen Schulen in Wien, die von islamischen Lehrkräften dominiert werden. Er hatte einen strengen islamischen Religionsunterricht, und von den in der Studie veröffentlichten Angaben über die Einstellung mancher Lehrer zur Demokratie und dem Problem, dass die meisten dieser Lehrer kein Deutsch sprechen, weiß er ein Lied zu singen.
"Tatsächlich gibt es diese Dinge. Ich bin da ganz ehrlich und sage, wer hier leben will, muss sich gefälligst auch anpassen. Das gilt auch für das Demokratieverständnis, aber die islamische Gemeinschaft in Österreich wegen dieser Studie ins radikal-islamistische Eck zu stecken, dagegen verwehre ich mich", meint Faizal. Alle von der "Wiener Zeitung" befragten Muslime stimmen darin überein, dass es nicht zur Diskussion stehe, die Demokratie infrage zu stellen.
Eltern für Integration der Kinder verantwortlich
Interessant ist, dass die jungen Menschen, die in ihrem Alltag auch Berührungspunkte mit Österreichern und deren Mentalität haben, weltoffener denken als jene, die nach der Schule nur in ihren eigenen muslimischen Kreisen verkehren, sich arabische Satellitenprogramme ansehen und auch in ihrem Freundeskreis ausschließlich in arabischer Sprache kommunizieren.
"Wenn jemand keine Möglichkeit hat, seinen Fuß in die österreichische Gesellschaft zu setzen, dann wird es halt schwierig, sich zu integrieren, hier sind die Eltern gefordert, das zu fördern. Nur manchmal müssen die Kinder für solche Eltern auch noch die Rolle eines Übersetzers spielen", sagt die Irakerin Maeve, 22.
"Aber das Problem ist immer, dass die Menschen dazu neigen, sofort alles negativ zu sehen, was den Islam angeht. Der Koran oder unser Glaube ist sehr positiv und diese Religionslehrer mit ihren Einstellungen ruinieren leider oft das wahre Bild der Moslems in Österreich: Wir sind froh, hier zu leben und wir haben überhaupt kein Interesse an radikalen oder undemokratischen Formen des Islams", versichert Maeve.
Der Autor unterrichtete 2006 an der Al-Azhaar International School in Wien und arbeitete lange mit muslimischen Jugendlichen.