Zum Hauptinhalt springen

"Pöbel"

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Über Trump-Wähler und Political Correctness.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In einem Interview zu Donald Trump meinte der bekannte deutsche Politologe Herfried Münkler: "Der Pöbel folgt sowieso immer nur dem Schein." Und auch wenn es von Machiavelli stammt, so ist es dennoch problematisch.

"Pöbel": Das Problem ist, dass Münkler "Pöbel" sagt und "Pöbel" meint. Und mit dem "Pöbel" ist es ebenso wie mit Clintons "deplorables" - man gibt damit eine Grundkategorie, was heißt eine - die zentrale Kategorie der Demokratie auf: das autonome, das vernünftige Subjekt. Das geht dabei sozusagen flöten. Denn der Pöbel, der braucht dann Eliten, die für ihn vernünftig sind. Die für ihn handeln. Entscheiden. Für den Pöbel bleibt dann nur noch der Schein übrig. Den braucht er, den Schein.

Aber im "Schein" liegt ein grundlegendes Missverständnis dieses Elitismus. Denn Münkler unterscheidet mit diesem Wort zwischen wirklicher Politik und eben scheinhafter. Also zwischen dem Ziehen der Fäden und der Inszenierung. Ja, es geht sogar noch weiter. Jene, die die Fäden ziehen, sollen auch jene sein, die die Inszenierungen lenken. Denn sein erklärtes Ziel ist es, einen Schein herzustellen, der "nicht gegen uns, sondern für uns spielt". Priesterbetrug hat man das früher genannt - die Vorstellung, dass die Eliten dem dummen Volk ein Schauspiel vorsetzen. Dass sie den Pöbel verführen und selbst die Herren dieses Betrugs bleiben. Eine undemokratischere Vorstellung gibt es kaum. (Aber Machiavelli hatte ja keine Demokratie im Sinn.)

Diese Vorstellung ist aber nicht nur undemokratisch ob ihrer Verächtlichkeit - sondern auch ob ihres Missverstehens der demokratischen Funktionsweise. Denn Demokratie ist immer auch ein Schauspiel. Sie bedarf der Inszenierung. Aber diese Inszenierung ist alles andere als Schein. Sie ist nicht falsch, sondern vielmehr notwendig. Denn im Schauspiel werden die gesellschaftlichen Konflikte ausagiert. Auf die Bühne gebracht. Geregelt. Dies soll verhindern, dass sie entgleisen. Zugleich bietet es den Leuten eine Erzählung an - von der Gesellschaft, von ihrem Platz in dieser. Es gibt ihren Erfahrungen eine politische Sprache. Selbst Trump’s Schauspiel macht solch ein Angebot. Ob es einem gefällt oder nicht. Selbst Trump ist nicht einfach Schein. Es wäre strategisch fatal, das zu verkennen.

Es ist eine Ironie, dass Sebastian Kurz gerade dieser Tage in Berlin verkündete, die Political Correctness treibe "die Wähler in die Arme der Populisten". Denn gerade an Münkler sieht man, wie verdreht diese Argumentation ist. "Pöbel" ist so politisch inkorrekt wie nur was. Aber genau diese Haltung ist es, die den Populismus befördert. Es ist also nicht die Regulierung der Sprache das Problem, sondern die Aufhebung solcher Regulierungen. Wie etwa im Wort "Pöbel". Zugleich sind solche Anti-PC-Attacken längst selbst zum größten Vehikel des Populismus geworden. Die Political Correctness denunzieren - das ist populistisch, nicht umgekehrt.

Die, die von Pöbel sprechen. Die, die Regulierungen bekämpfen. Und die, die sich dann de-reguliert und enthemmt tatsächlich als Pöbel aufführen (etwa in den Internetforen) - sie alle eint eines: Sie entsorgen gemeinsam das demokratische Subjekt.