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Pokern mit der Flüchtlingskrise

Von WZ-Korrespondentin Karin Rogalska

Politik

In der Slowakei gilt Premier Fico als Favorit bei den Parlamentswahlen. Die Macht könnte ihm dennoch entgleiten.


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Bratislava. Bei Wahlen zum slowakischen Nationalrat gibt es seit Ende der 1990er Jahre einige ungeschriebene Spielregeln. Das gilt auch für den kommenden Samstag. Der Sozialdemokrat Robert Fico, seit 2012 erster Ministerpräsident mit einer Ein-Parteien-Regierung, liegt in Umfragen weit vorne. Zuletzt wollten 35 Prozent der Wahlberechtigten für ihn votieren. Die Konkurrenz fährt gerade einmal einstellige Werte ein. Trotzdem ist die Situation für Fico unbefriedigend. Ganz offensichtlich kommt seine scharfe Rhetorik in der europäischen Flüchtlingskrise deutlich schlechter an als erwartet. Noch im Herbst besagten Umfragen, dass er allein weiterregieren könne. Jetzt bräuchte er, würden sich die Prognosen erfüllen, einen Koalitionspartner, um weiter an der Macht zu bleiben.

Damit stellt sich wieder einmal die Frage, auf wen der 50-jährige Jurist setzen kann. 2006 tat sich seine Smer-SD mit der nationalistischen SNS und der HZDS-LS des früheren autokratischen Ministerpräsidenten Vladimir Meciar zusammen, 2010 koalierten vier bürgerliche Parteien gegen ihn. Das Bündnis hielt aber nur ein gutes Jahr, und Fico triumphierte bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Frühjahr 2012. Heuer gibt es für ihn zwei Alternativen. Die SNS, die 2012 aus dem Nationalrat flog, kratzte zuletzt an der 10-Prozent-Marke, sodass die Smer-SD mit ihr gemeinsam bequem zu einer Mehrheit käme. Das würden die meisten Wahlberechtigten befürworten. Fico könnte aber auch ein in der Slowakei bisher unbekanntes Modell wagen und sich einen Partner aus dem bürgerlichen Lager suchen.

Alles "illegale Migranten"

Im Wahlkampf zeigte er sich demonstrativ hart gegenüber Flüchtlingen und der aus seiner Sicht damit verbundenen Sicherheitsfrage. Jeder, "der die Grenze zwischen Ungarn und der Slowakei oder Österreich und der Slowakei überschreitet", sei ein "illegaler Migrant", betonte Fico am Mittwoch gegenüber dem Sender CT. Mazedonien, so Fico bei einem Besuch des Grenzzauns zwischen Mazedonien und Griechenland, brauche dringend die Hilfe der Slowaken, um des Fluchtlingsansturms Herr zu werden.

In Europa machte er zuletzt mit einer ungarisch-slowakischen Klage gegen die Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen von sich reden. Scharf kritisiert wurde Fico vor allem im Ausland, als er die Ereignisse der Silvesternacht in Köln und anderen Städten kommentierte: Er werde nicht dulden, dass Muslime in die Slowakei einreisten, um in rechtswidriger Weise Gemeinschaften zu gründen. Damit scheint eine Koalition mit der SNS naheliegend.

In dieser Sache konnte Fico zuletzt allerdings auch auf die bürgerliche KDH setzen. Mit ihrer Unterstützung brachte er die notwendigen Verfassungsänderung zur Verschärfung der Anti-Terror-Gesetzgebung durch. Der KDH-Vorsitzende Jan Figel gehört zwar zu denen, die am lautesten nach einem bürgerlichen Regierungsbündnis schreien. Dagegen spricht jedoch vieles, auch wenn es den Umfragen nach reichen könnte. Anders als die Linke hat das bürgerliche Lager in der Slowakei nie eine Kraft hervorgebracht, die sich dauerhaft als politisches Schwergewicht etablieren konnte. Die KDH gilt dabei noch als stabilste Größe - sie hat die meisten Stammwähler. Alle anderen Parteien rangeln mit zumindest einem vergleichbaren Konkurrenten. Persönliche Animositäten gehören damit zur Tagesordnung.

Zudem finden die Generationen im bürgerlichen Lager nicht zueinander. Auf der einen Seite agieren Alteingesessene wie Jan Figel (Most-Hid), auf der anderen Profi-Jugendliche wie Igor Matovic (Olano) und Richard Sulik (SaS), dazwischen Siet-Chef Radoslav Prochazka. Insofern taten sich die Bürgerlichen im Wahlkampf schwer, Akzente zu setzen, die über eine Kritik an Ficos Regierungsstil und einem aus ihrer Sicht damit verbundenen Wuchern von Korruption hinausgingen. Dem Ministerpräsidenten lieferten sie damit die Steilvorlage, sich auf wenige Themen, sprich Flüchtlinge und Sicherheitsfragen, zu konzentrieren.

Investoren kehren zurück

Fico hat jedoch in zweifacher Hinsicht zu hoch gepokert. Indem er in der Flüchtlingskrise provozierte, wollte er nationalistische Kräfte an sich binden - profitiert hat davon wohl die nationalkonservative SNS. Außerdem hatte Fico 2012 seine Wähler mit dem Slogan überzeugt, dass die Menschen Sicherheiten verdient hätten, sprich: Verbesserungen in der Sozialgesetzgebung. Tatsächlich wurden zwei entsprechende Pakete geschnürt, doch die Löhne im Gesundheits- und Bildungswesen blieben im Keller. Das trieb zuletzt Krankenschwestern und Lehrer auf die Barrikaden.

Punkten kann der Ministerpräsident damit, dass die Slowakei nach langer Durststrecke wieder für Auslandsinvestoren attraktiv ist. Mit dem Autohersteller Jaguar Land Rover und dem Sicherheitsspezialisten RKN Global Europe haben sich zwei britische Unternehmen für den einstigen "Tatratiger" entschieden und investieren in die strukturschwachen Universitätsstädte Nitra und Banska Bistrica. Außerdem verhandelt die Regierung mit einem chinesischen Investor über die Modernisierung des Flughafens in Bratislava.