Zum Hauptinhalt springen

Pokern um politischen Einfluss bis zum Schluss

Von Heike Hausensteiner, Nizza

Europaarchiv

Der 64. EU-Rat in Nizza sollte historisch sein. In einem neuen Vertrag sollte die Reform der EU-Institutionen besiegelt werden, so dass das in einigen Jahren auf 27 Mitglieder erweiterte "Haus Europa" weiterhin effizient arbeiten wird können. Die Verhandlungen waren alles andere als einfach: Bis gestern zeichnete sich ein Kompromiss über die EU-Kommission und die Mehrheitsentscheidungen ab. Der bisher längste, ursprünglich bis Samstag anberaumte Gipfel geht voraussichtlich erst heute zu Ende.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Verhandlungen gingen nur "millimeterweise" voran, berichtete zu nächtlicher Stunde Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Im so genannten "Beichtstuhl"-Verfahren am Freitag Abend hatten die EU-Mitglieder ihre Vorstellungen dargelegt. Der erste Entwurf über die institutionellen Reformen, den Frankreich als EU-Vorsitzland den 14 Partnern präsentierte, sorgte in erster Linie für Entrüstung und wurde im Laufe des Tages überarbeitet. 24 Stunden später fielen die Vorschläge schon gemäßigter aus. Am Sonntag wurde der dritte Anlauf gestartet.

In der EU-Kommission dürfte zunächst jedes Mitgliedsland weiterhin mit einem Kommissar vertreten sei, und zwar so lange, bis die Erweiterung der Union abgeschlossen ist. Von einem genauen Zeithorizont - etwa bis 2010 - ist nicht mehr die Rede.

Weniger als 27 Kommissare

Die Großen müssten auf ein Kommissionsmitglied verzichten und würden dafür in der Stimmgewichtung - gemessen an der Bevölkerungszahl - besser berücksichtigt werden. Die Anzahl der Kommissare soll jedenfalls unter 27 liegen: So viele Mitglieder wird die Europäische Union in absehbarer Zeit maximal haben.

Jedes neue Mitgliedsland soll am Anfang durch einen Kommissar vertreten sein. Dann soll unter den Ländern eine Rotation der Kommissare einsetzen.

In der Frage der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit - um Blockaden durch nationale Vetos zu verhindern - zeichneten sich von den mehr als 70 Kapiteln Kompromisse in mehr als 50 Fragen ab. Heikle Punkte - deren jedes Land einige vorzuweisen hat - waren jedoch weiterhin tabu.

So wollte Großbritannien die Zügel im Steuersystem nicht aus der Hand geben, Frankreich setzte unbeirrt auf die Wahrung der kulturellen Identität (um einer Überflutung der US-amerikanischen Kultur und Musik einen Riegel vorzuschieben). Österreich liegen das Asyl- und das Wasserrecht weiterhin sehr am Herzen.

Fortsetzung auf Seite 5

Alles über Nizza Seiten 4, 5