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Pokerspiel ums höchste Amt

Von Werner Reisinger

Politik

Nach Bekanntgabe der Griss-Kandidatur werden die weiteren Kandidaten zu Neujahr nachziehen. Eine Analyse.


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Wien. Noch gibt es nicht einmal einen inoffiziellen Vorwahlkampf - und doch hat das Ringen um das höchste Amt im Staat längst begonnen. Nachdem Irmgard Griss definitiv ihre Kandidatur bekanntgegeben hat, ist es nur mehr eine Frage von wenigen Wochen, bis sich weitere Kandidaten aus der Deckung wagen werden. Wer für wen antritt oder nicht, darüber wird ohnehin seit Monaten spekuliert. Der Wahlkampf - spätestens am 24. April 2016 muss gewählt werden - wird sich allerdings erheblich von den Vorangegangenen unterscheiden.

Bisher standen parteipolitische Faktoren im Vordergrund: Schickte die ÖVP einen vielversprechenden Kandidaten ins Rennen, musste die SPÖ nachziehen und vice versa. Es oblag den Kandidaten, im Wahlkampf zu präsentieren, wie man das Amt anlegen würde. Bürgerpräsident oder Staatsmann? Moralische Instanz oder Repräsentant nach außen?

Bei dieser Wahl rücken nicht nur die Persönlichkeiten abseits ihrer parteipolitischen Heimat stärker ins Zentrum, ist der Politologe Fritz Plasser überzeugt. "Parteiunabhängige Kandidaten haben einen gewissen Vertrauensvorschuss bei den Wählern", so Plasser. Anders gesagt, die niedrige Popularität der Regierung lässt die Wähler zu SPÖ und zu ÖVP auf Distanz gehen.

Flüchtlinge werden Wahlkampf dominieren

"Das Flüchtlings- und Asylthema, und hier vor allem die Frage nach den sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen, wird den Wahlkampf thematisch entscheidend prägen", ist Plasser überzeugt. Spätestens 2018 steht die nächste Nationalratswahl bevor, aktuell führt Heinz-Christian Straches FPÖ deutlich in den Wahlumfragen. Schon alleine deshalb stellt sich die Frage, wer Straches Partei in einer Regierung angeloben würde. Die Wahl ist also als Kräftemessen in einer beim Flüchtlingsthema zutiefst gespaltenen Öffentlichkeit zu verstehen.

Irmgard Griss hat nicht nur das taktische Patt vor der Bekanntgabe weiterer Kandidaturen für sich genutzt, auch ihre inhaltliche Positionierung gegen "alles das, was schiefläuft" in der Republik, entspricht dem zu erwartenden inhaltlichen Wahlkampf. Dass auch der ehemalige Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen kandidieren wird, gilt als sicher. Er hat bereits angekündigt, Strache nicht als Bundeskanzler angeloben zu wollen - im Gegensatz zu Griss. Mit dem Eintritt Van der Bellens in den Wahlkampf wird es für Griss jedenfalls schwerer, ihren parteifernen Nimbus als ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs auszuspielen, erklärt Politologe Plasser. Griss und Van der Bellen sprechen ein recht ähnliches Wählerklientel an, beide stehen weder SPÖ noch ÖVP nahe.

Dazu kommt, dass auch die Bundespräsidentenwahlen einen erheblichen finanziellen und personellen Wahlkampfaufwand nach sich ziehen. Für den Stimmenfang in den Bundesländern braucht es einen Apparat im Hintergrund, über den Griss im Gegensatz zu Van der Bellen nicht verfügt. Obwohl er bisher eine mögliche Kandidatur immer in Abrede gestellt hat, gilt auch ein Antreten von Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll als wahrscheinlich. Plasser rechnet damit, dass er seine Kandidatur "wenige Tage nach Neujahr" bekanntgeben wird.

In Ermangelung anderer Kandidaten wird der SPÖ daraufhin kaum etwas anderes übrig bleiben, als ihren Sozialminister Rudolf Hundstorfer ins Rennen zu schicken. Ist dieser erst einmal offizieller Kandidat, wird er sogleich sein Ministeramt zurücklegen müssen - interessant zu sehen wird sein, ob Pröll dann ebenfalls zurücktritt.

Stichwahl gilt als so gut wie sicher

In dem Fall würde ein Scheitern bei der Wahl im April das politische Aus für den mächtigen niederösterreichischen Landesfürsten bedeuten. Mehr als fraglich also, ob er diesen Schritt wagen wird. Schon beim letzten Landtagswahlkampf drehte sich alles um die Person Pröll, auf seinen Wahlplakaten suchte man vergebens das Logo der ÖVP. Und die FPÖ? Bisher hat Strache nicht ausgeschlossen, Irmgard Griss’ Kandidatur zu unterstützen. Bei ihrem Hearing vor freiheitlichen Spitzenfunktionären wäre aber klar herausgekommen, dass es zu wenig inhaltliche Übereinstimmung mit Straches Politik gibt, meint Plasser und verweist auf das Schicksal von Heide Schmidt im Präsidentschaftswahlkampf 1992. Auch sie hatte es nicht geschafft, den ideologischen Kern der FPÖ-Wähler zu überzeugen.

Umso wahrscheinlicher ist also, dass die FPÖ einen eigenen Kandidaten aufstellen wird. Genannt werden der dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer oder der Präsident des Rechnungshofs, Josef Moser.

Bei dieser Fülle an Kandidaten - fünf gab es zuletzt 1998 - ist ein zweiter Wahlgang hochwahrscheinlich. Sollten in der Stichwahl Van der Bellen und Pröll aufeinandertreffen, braucht Letzterer die Stimmen der FPÖ-Wähler. Pröll müsste eine Art Zweckbündnis mit der FPÖ schließen. "Das könnte zu einer Art Testlauf für eine mögliche ÖVP-FPÖ Koalition auf Bundesebene werden", meint Plasser. Angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung könne sich Pröll deshalb im Wahlkampf nicht allzu sehr gegen die FPÖ-Positionen stellen.