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"Polarisierung zwischen SPÖ und ÖVP noch nicht geglückt"

Von Walter Hämmerle

Politik
Christian Scheucher. Foto: wz

Interview mit dem Politikberater Christian Scheucher. | Warum Neuwahlen noch zu früh kommen. | "Wiener Zeitung": Hat die Fortführung dieser großen Koalition noch einen Sinn?


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Christian Scheucher: Begrenzt, allerdings bin ich der Meinung, dass große Koalitionen an sich nur in absoluten Ausnahmefällen eine Daseinsberechtigung haben. Von daher würde ich es begrüßen, wenn man nun über die Einführung eines Mehrheitswahlrechts nachdenkt, auch wenn es realpolitisch wohl nicht kommen wird.

Dass es nur noch um taktische Spielchen zu gehen scheint, hat wahrscheinlich auch mit dem exzessiven Einsatz von Spin Doktoren auf allen Seiten zu tun.

Ja, sicher, nur warum ist das so? Weil Unterschiede zwischen Parteien herausgearbeitet werden müssen, die de facto nicht existieren. In der Tat erleben wir ja die selben Gesichter und Themen. Wenn es in dieser Situation nicht gelingt, eine inhaltliche Polarisierung herbeizuführen, wird - das prophezeie ich - das Interesse der Wähler abstürzen.

Was bezwecken SPÖ und ÖVP mit ihren wechselseitigen Ultimaten?

Es geht darum, dem anderen die Verantwortung für Neuwahlen in die Schuhe zu schieben. Wem dies in der derzeitigen Situation gelingt, der hat meiner Ansicht nach gute Chancen, die Wahl auch zu gewinnen. Nur erweist sich das als eher schwierig, denn die derzeit auf dem Tisch liegenden Themen eignen sich nicht als einsichtiger Grund für Neuwahlen. Prinzipiell wäre zwar die Steuerreform ein solcher Knackpunkt, doch noch erkennen die Leute das nicht als grundsätzliche Richtungsentscheidung. Genau da müssten SPÖ und ÖVP aber hin, wenn sie erfolgreich Neuwahlen schlagen wollen: Die SPÖ als Partei, die den Leuten finanziell etwas Gutes tun will, die ÖVP als Anwalt der Steuerzahler - so in der Form etwa.

Bei Neuwahlen können aber weder Gusenbauer noch Molterer sicher sein, dass sie den Wahltag überleben.

Dieses Risiko gibt es natürlich, aber wenn man von einem Weg überzeugt ist, muss man ihn auch konsequent zu Ende gehen - und notfalls eben auch den Hut nehmen. Leider aber goutiert die hiesige politische Kultur weder Mut noch Ehrlichkeit.

Was geschieht, wenn sich die jetzt über Wochen aufgebaute innenpolitische Spannung wieder auflöst?

Dann werden sich die Bürger von der Politik abwenden. Mein Eindruck ist, dass die Menschen überzeugt sind, dass diese große Koalition keinen Sinn mehr hat.