Die Klimaerwärmung hat massiven Einfluss auf die Verbreitung von Pflanzen und Tieren. Voraussagen sind aber kaum möglich.
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Wien. Der Klimawandel wird die Tier- und Pflanzenwelt in den Polarregionen und den angrenzenden Meeren erheblich verändern. In welche Richtung diese Veränderungen gehen werden, ist aber noch nicht ganz klar. Einerseits werden wohl einige Tier- und Pflanzenarten immer weiter zurückgedrängt werden, andererseits breiten sich manche immer weiter aus. Was deutsche Polarforscher bei einer Fachtagung in Rostock am Freitag zur Lage der Arktis und Antarktis kundtaten, bestätigen auch österreichische Polarforscher.
Der gerade aus Grönland zurückgekehrte Ökologe Andreas Richter vom Austrian Polar Research Institute (APRI) sieht Auswirkungen auf den Lebensraum vieler Tiere. So verringert sich bekanntlich das Territorium für den Eisbären aufgrund des Rückgangs des Meereises. Dessen Ausdehnung in der Arktis hat kürzlich den zweitniedrigsten Stand seit Beginn der Satellitenbeobachtungen im Jahr 1978 erreicht, wie das Nationale Schnee- und Eisdatenzentrum der USA (NSIDC) bestätigt. Kaum wo seien die Folgen der globalen Erwärmung sichtbarer als in der Arktis.
Gerade in diesem Sommer "haben wir die größten Abschmelzungen der Gletscher verzeichnet", bestätigt auch Leopold Füreder von der Universität Innsbruck. Sein Forschungsgebiet sind die Gewässer rund um den Königsfjord auf Spitzbergen. Dort sei wiederum zu beobachten, dass die Biodiversität und Produktion unter den Wasserinsekten aufgrund der Erwärmung im Steigen begriffen ist. Grund dafür sei ein größeres Nährstoffangebot, das, bedingt durch Schmelzvorgänge, in die Gewässer gelangt. "Es wird so sein, dass die Spezialisten, die an die Extremhabitate angepasst sind, zwar weiterhin vorkommen, diese aber von Arten abgelöst werden, die mit mehr Nährstoffen und einer höheren Nahrungsmenge besser zurechtkommen", so Füreder. Das gelte etwa auch für Vögel, deren Nahrungsquelle sich im seichten Wasser befindet. Der Polarforscher erwartet hier daher eine höhere Biodiversität und höhere Produktionsraten für die nächsten Jahre.
Höhere Artenvielfalt
Auch werde es Tiere geben, die weiter nach Norden vorstoßen, wodurch es auch an diesen Standorten zu einer gesteigerten Artenvielfalt komme, betont Andreas Richter. Das gilt jedoch nicht für die Eisbären, die mittlerweile zum Symbol des Klimawandels geworden sind. Sie werden aber vor allem durch physikalische Ereignisse, eben das Wegbrechen der Eisschilde, immer weiter zurückgedrängt. Damit geraten sie immer stärker unter Druck , was nicht nur zur Verdrängung, sondern mitunter auch zum Aussterben in manchen Gebieten führe.
"Manche Arten werden verschwinden, andere Arten neu dazukommen. Das vorauszusagen, ist nicht einfach und relativ komplex - und von Ort zu Ort verschieden", so Richter. Darunter zu leiden haben vor allem die stark an extreme Bedingungen angepassten Arten.
Die Veränderung ist auch im Wasser selbst beobachtbar. APRI-Forscher Alexander Loy studiert die Mikroorganismen in den marinen Sedimenten an den polaren Küsten. Gerade die arktischen Systeme seien durch die Erwärmung am massivsten beeinflusst. "Fährt man nach mehreren Jahren wieder hin, sieht man mit bloßem Auge, dass die Gletscher wegschmelzen", schildert er. Durch das Wegschmelzen werde mehr terrestrisches Material in die marinen Systeme geschwemmt - organisches Material und Mineralien, die die Mikroorganismen drastisch beeinflussen. "Das hat Auswirkungen auf die Freisetzung von Klimagasen wie CO2 und Methan." Allerdings sei es noch nicht möglich zu sagen, in welche Richtung sich das Ökosystem ändern wird. Wird es mehr Treibhausgase produzieren oder wird es in der Lage sein, Treibhausgase wieder aufzunehmen? "Was man sagen kann, ist, dass die einzelnen Ökosysteme ganz unterschiedlich wirken können", erklärt Leopold Füreder. Wie, ist tatsächlich noch nicht festzulegen. "Klar ist, dass der Klimawandel ganz starke Effekte auf die Vertreibung von Arten hat und letztlich auch auf die Biodiversität", betont sein Forscherkollege Andreas Richter.
Doch schon das, was bekannt ist, sollte ausreichen, um rasche und massive Änderungen der internationalen Klimapolitik herbeizuführen, sind sich wohl nicht nur die Forscher im deutschen Rostock einig.