)
Die rückläufige Nachfrage in Europa hat die Branche bisher noch nicht beeindruckt: Die österreichische Automobilindustrie boomt seit Jahren, hält in vielen Nischen die Pole-Position und ist einer der High-Tech-Imageträger des Landes. Wie sich die Großen im Standortwettbewerb bewähren und die Klein- und Mittelbetriebe ihr Tempo, zeigt ein aktuelles Branchenporträt der "Wiener Zeitung". Österreich sei dank seiner Lieferungen von Autoteilen und Komplettautos an die globale Automobilindustrie in den erlauchten Kreis der Herstellernationen gerückt, verkündete kürzlich stolz der neue Vorsitzende der Automobilimporteure Österreichs, Felix Clary und Aldringen. Da der Export der Zulieferer den Importbedarf an Automobilen weit übersteigt, leistet die Branche damit einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der österreichischen Handelsbilanz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Zwar konnten aus der langen, sehr wechselvollen Tradition Österreichs im Automobilbau keine unabhängigen Hersteller in die Gegenwart gerettet werden. Hochkarätige Forschungs- und Kompetenzzentren, regionale Cluster, erfolgreiche Produktionsstandorte von Top-Konzernen und eine lange Reihe innovativer Zulieferer verhalfen Österreich aber dennoch zu einem ausgezeichneten Ruf in der globalen Automobilwelt. Das Jahr 2000 geht in die Geschichte der Branche in Österreich wie schon 1999 als besonders erfolgreiches ein. Trotz nur geringem Produktionswachstum sowie rückläufiger Automobilnachfrage in Europa konnten die rund 300 Kernunternehmen der Zulieferindustrie in Summe zweistellige Zuwachsraten verbuchen.
Experte erwartet anhaltend hohe Nachfrage
Ähnlich gut könnte auch 2001 werden. "Das Autogeschäft ist zwar zyklisch, aber die Märkte boomen zu unterschiedlichen Zeiten", sagt der Geschäftsführer des österreichische Zulieferforums AOEM, Mario Rohracher. So setzen etwa die Hersteller in Brasilien und Mexiko zu neuen Höhenflügen in der Produktion an und kompensieren damit die Sättigungssituation in Europa. Und selbst wenn es heuer zu rezessiven Tendenzen kommen sollte: Die Zulieferer dürften einen Rückgang der Nachfrage - wenn überhaupt - frühestens im Jahr 2002 spüren.
Österreichische Vorzeigebetriebe der Branche wie etwa der Kremser Autotextilerzeuger Eybl International versprühen entsprechenden Optimismus. "Wir wollen gegenüber den Herstellern auch weiter überproportional wachsen", gibt Eybl-Vorstand Rudolf Pauli die Stoßrichtung vor. Dem scharfen Preiskampf wird mit Sonderausstattungs-Kampagnen, einem idealen Standort-Mix (Know How und Hightech in Österreich; 2.400 der 3.200 Mitarbeiter im Ausland) und Akquisitionen begegnet. Ziel ist nichts weniger als "Europas Nummer 1 unter den Autotextil- und Lederkomponentenherstellern zu werden" und "alles aus einer Hand anbieten zu können".
Miba-Chef Peter Mitterbauer merkte bislang auch noch nichts von einer Rezession. Am Firmenbudget für 2001 wird festgehalten, ebenso am Wachstumskurs, ließ er kürzlich verlauten. Wie in der Vergangenheit soll mit umfangreichen Investitionen in Forschung und Entwicklung (1998/99: rund 86 Mill. Schilling) die weltweite Technologieführerschaft bei Sinterformteilen, Gleitlagern und Reibbelägen gesichert werden.
Unbestrittener Weltmarktführer in seiner Nische ist der steirische Motoren- und Fahrzeugentwickler AVL. Mit knapp 2.000 Mitarbeitern (Umsatz über 4 Mrd. Schilling) werden weltweit Maßstäbe bei der Entwicklung von Antriebs- sowie Meß- und Testsystemen gesetzt. Um seine Unabhängigkeit auch in Zukunft erhalten zu können, kooperiert AVL intensiv mit Autoherstellern, Cluster-Partnern und Universitäten.
Kooperation ist das Gebot der Stunde
Zusammenarbeit mit Partnern und Kunden ist für alle Zulieferer das Gebot der Stunde. Viele kleine Zulieferer arbeiten an der Grenze ihrer Möglichkeiten und werden in der Zukunft den Ansprüchen der Autoherstellern nicht mehr genügen, warnen Experten der Branche. Mehr denn je werde es notwendig sein, ohne Lagerhaltung zum richtigen Zeitpunkt und in der passenden Ausführung zu liefern. Magna-Entwicklungschef Jürgen Stockmar gibt eine kritische Masse von 3 Mrd. Dollar Umsatz an, um als Zulieferer der ersten Reihe überleben zu können. Diese Vorgabe gilt natürlich nur für Systemintegratoren wie etwa Magna, Valmet oder Karman (sogenannte "Tier 1"). Für die nachgereihten Klein- und Mittelbetriebe führt der Weg über Cluster wie dem "Steirischen Automobil-Cluster" rund um die Leitbetriebe Eurostar/DC, SFT/Magna und AVL (120 Zulieferfirmen) und den Automobilcluster Oberösterreich (300 Mitglieder). Bei Projekten wie dem "Acoustic Competence Centre" (ACC) in Graz wird etwa die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft vorexerziert.
Dass auch Giganten der Branche mit ihren Standorten in einem Hochlohnland wie Österreich reüssieren können, zeigen etwa BMW, DaimlerChrysler, Magna und Opel vor. Bei BMW in Steyr liefen im Jahr 2000 über 600.000 Motoren vom Band, um 10% mehr als 1999. Die Produktivität steigt von Jahr zu Jahr und ist die Benchmark für die anderen BMW-Werke. Im größten Motorenwerk des Konzerns werden inzwischen zwei Drittel aller BMW-Motoren erzeugt, Tendenz steigend.
Das Engagement des Magna-Konzerns im Land lässt sich schon längst nicht mehr mit Förderungen oder mit Frank Stronachs wiedererwachter Vaterlandsliebe erklären. Als ausschlaggebend für die kontinuierliche Ausbreitung des Konzerns gilt allen voran die Innovationskraft der heimischen Ingenieure. So avancierte das niederösterreichische Oberwaltersdorf nach einer umfassenden Umstrukturierung des Konzerns vor kurzem zur Zentrale der nunmehrigen Magna-Steyr-Gruppe und damit zu einem Herzstück des Global Players. Laufend kommen neue Investitionen dazu, aktuell der Ausbau St. Valentins zu einem weiteren Entwicklungskompetenzzentrum.
Österreich punktet mit Spitzenprodukten
Mit Massenfertigung kann Österreich weder bei Komplettfahrzeugen noch bei Komponenten punkten. Graz/Thondorf (SFT/Magna), Eurostar (DaimlerChrysler) & Co profilierten und profilieren sich vielmehr mit der Entwicklung und Herstellung von Spitzenprodukten. Dass der Kurs stimmt, bestätigen die aktuellen Aufträge. Die Mercedes E-Klasse 4MATIC sichert SFT bis 2010 einen Umsatz von insgesamt 50 Mrd. Schilling. Der Baubeginn von Saab Cabrio und Coupe mit 2003 ist schon fix, beste Chancen haben die Grazer zudem für den Bau des BMW X3. Und im Eurostar-Werk bereitet man sich nach dem Produktionsstart des neuen Chrysler Voyager schon auf die Fertigung des Chrysler PT Cruiser vor (ab Sommer 2001).
Auch bei Opel Austria gelang der Spagat von Quantität und Qualität und das überzeugend: Der Standort gilt als Motoren-Benchmark für GM weltweit. Jeder zweite Opel in Europa ist mit einem Getriebe aus Wien-Aspern ausgestattet. Lieferzuverlässigkeit, Kreativität, Just-In-Time-Fertigung und Konsensbereitschaft im Betrieb und auf Sozialpartenerebene nennt Rottmeyer als weitere Pluspunkte für Österreich.
Und GM würdigt die heimischen Anstrengungen: Bis Ende 2001 werden in Aspern 760 Mill. Schilling in den Ausbau der Fertigungkapazitäten investiert. Die Allianz von GM mit Fiat sorgt dabei für verstärkten Druck auf den Standort. Andererseits kann das Werk in Aspern aber nun in einem größeren Teich zu fischen. Was heißt: Opel-Motoren und -Getriebe könnten auch in Fiat-Modelle eingebaut werden. Schon heute beträgt der konsolidierte Umsatz von Opel-Austria rund 20 Mrd. Schilling in Österreich. Zudem kaufen Opel und GM um rund 5 Mrd. Schilling jährlich bei österreichischen Zulieferern ein.
So erfolgreich die Branche auch derzeit ist, es wird permanenter Anstrengungen bedürfen, um im scharfen Wettbewerbswind des angehenden 21. Jahrhunderts bestehen können. In dem Maß, in dem die Automobilhersteller ihre Beschaffungsvorgänge straffen und zunehmend auf elektronische Plattformen zugreifen, wird der Druck zunehmen, warnen die Experten. Neben Qualität werden auch ein professioneller Internet-Auftritt, unternehmensinterne Netzwerke auf Basis der Internet-Technologie und ein ausreichender Schutz der Netzwerkaktivitäten unumgänglich sein. Und in diesen Bereichen gibt es noch Aufholbedarf.