ODS lähmt Parlament und verhindert Abstimmungen. | Kleinparteien sind im Aufwind. | Prag/Wien. Nichts bewegt sich. Vier Monate vor der Parlamentswahl geht im tschechischen Abgeordnetenhaus kaum noch eine Gesetzesvorlage durch, da die rechtsliberalen Bürgerlichen Demokraten (ODS) die Verfahren derart verzögern, dass es zu keiner Abstimmung kommt.
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Die ODS greift dabei zu verschiedenen Tricks: So berief die Partei während einer Parlamentsdebatte plötzlich eine Klubsitzung ein. Oder ihre Abgeordneten halten endlose, oft bizarre Reden. Der ODS-Politiker Petr Necas trug etwa eine halbe Stunde lang das Tagungsprogramm vor. Dies brachte ihm ausgerechnet bei der Kommunistischen Partei den Spitznamen Fidel ein. Der kubanische Revolutionsführer Fidel Castro ist für seine stundenlangen Ansprachen bekannt.
Die ODS bezeichnet ihr Vorgehen als "legitime demokratische Verteidigung vor einer weiteren Verschuldung des Landes". Die Sozialdemokraten (CSSD) möchten noch vor der Parlamentswahl das Kinderkarenz-Geld oder die Zuwendungen im Krankheitsfall erhöhen. Die ODS will diese Gesetzesvorlagen unbedingt verhindern und verweist dabei auf das BIP-Rekorddefizit von 6,5 Prozent.
Wahlkampf-Geplänkel
Die CSSD besitzt eine Mehrheit für ihre Vorlagen. Tschechien wird derzeit vom parteilosen Übergangspremier Jan Fischer regiert, weshalb im Parlament ein freies Spiel der Kräfte herrscht. Die Kommunisten sowie Teile der Christdemokraten unterstützen die CSSD-Vorschläge.
Für den Prager Politologen Jiri Pehe ist das Verhalten der beiden Großparteien reines Wahlkampf-Geplänkel. Die CSSD wolle noch etwas für ihre Klientel herausholen und verhalte sich dabei nicht sehr verantwortungsvoll. Die ODS wiederum warne vor dem Staatsbankrott und übertreibe mit ihrer Rhetorik - Tschechien sei weit von einer finanziellen Pleite entfernt.
Die derzeit im Fernsehen übertragenen Parlamentsdebatten spiegeln jedenfalls das Verhältnis der beiden Großparteien wider. Seit Jahren polemisieren sie gegeneinander und pflegen eine Kultur der ständigen Konfrontation.
ODS fällt zurück
"Dieser politische Stil ist kontraproduktiv", sagt Pehe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Das Einzige, was die großen Parteien damit erreichen, ist eine Stärkung der Kleinparteien."
Dies zeigt sich in den Umfragen. Die CSSD liegt zwar in Führung, stagniert aber bei rund 30 Prozent der Stimmen. Die ODS, die die letzten Wahlen mit 35 Prozent gewann, ist auf 25 Prozent abgestürzt. Die neu gegründete konservative Bewegung Top 09 mit ihrem Vorsitzenden Karl Schwarzenberg kommt derzeit auf beachtliche 14 Prozent und wäre damit noch vor den Kommunisten drittstärkste Kraft. Mit der ebenfalls neu gegründeten Partei Öffentliche Anliegen oder den bereits im Parlament vertretenen Grünen und Christdemokraten haben weitere Kleinparteien gute Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Die von Präsident Vaclav Klaus für den 28. und 29. Mai angesetzten Wahlen könnten damit große Veränderungen in der politischen Landschaft bringen.
Dass die Tschechen der ständigen politischen Konfrontationen müde sind, zeigt laut Pehe auch die Popularität von Jan Fischer. Der parteilose Übergangspremier, der nach den Wahlen abtreten wird, ist sachlich und pragmatisch - und in Umfragen der weitaus beliebteste Politiker.
Noch ist aber kein Ende der Polemik abzusehen: Kommende Woche gibt es eine Sondersitzung im Parlament. Die CSSD will dabei ihre Gesetzesvorlagen unbedingt durchbringen - die ODS will dies wieder mit allen Mitteln verhindern.