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Im Geschäftsleben geht es bei den Polen nicht gleich zur Sache: Man sucht zunächst persönliche Anknüpfungspunkte.
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Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft vor zwei Monaten war für Polen ein wichtiger Schritt auf dem Weg nach Europa. Dieser fortschreitende Integrationsprozess ist aber auch für die anderen Länder der EU von großem Vorteil.
Die Wirtschaft Polens ist seit seinem Beitritt 2004 wesentlich rascher gewachsen als die der anderen EU-Länder, und für Österreich ist Polen mit einem Volumen von über 5 Milliarden Euro 2011 einer der wichtigsten Handelspartner. Gerade weil aber Polen für viele österreichische Unternehmen ein vielversprechender Zukunftsmarkt ist, muss man bei allen privaten und geschäftlichen Kontakten daran denken, dass die Bewohner dieses Landes, auch aufgrund seiner oft leidvollen Geschichte, anders denken und fühlen und sich dadurch oft auch ganz anders verhalten, als wir das aus Österreich gewohnt sind.
Die Menschen in Polen sind wesentlich mehr beziehungs- als sachorientiert, es ist ihnen sehr wichtig, zunächst persönliche Anknüpfungspunkte mit einem potenziellen Geschäftspartner zu finden. Es ist daher in Polen nicht üblich, gleich beim ersten Treffen "zur Sache" zu kommen, vielmehr muss man sich Zeit für Small Talk nehmen, um sein Gegenüber besser kennenzulernen und eine vertraute Atmosphäre zu schaffen. Dieser Small Talk ist in Polen ein wichtiges Mittel des Informationsaustausches, da in der Regel nur Personen, die man gut kennt, relevante Informationen erhalten. Die beste Strategie ist es hier, es dem Gesprächspartner zu überlassen, wann er zum Kern der Sache kommen will, auch wenn es uns vielleicht schwer fällt, vorher ausführlich über belanglose oder private Sachen zu sprechen.
Persönlicher Kontakt
wichtiger als Vertrag
Aufgrund der Beziehungsorientierung werden selbst wichtige Abmachungen oft nur mündlich geregelt, der persönliche Kontakt ist wesentlich wichtiger als ein schriftlicher Vertrag. Auf jeden Fall sollte man das Geschriebene nochmals persönlich besprechen, um ihm die gebührende Wichtigkeit zu verleihen. Auch im Umgang mit Behörden sind persönliche Beziehungen durch Vermittlung der polnischen Geschäftspartner sehr wichtig, ein Pochen auf Recht und Gesetz ist meistens eher kontraproduktiv.
In der polnischen Kultur wird immer versucht, nicht direkt, sondern indirekt zu kommunizieren, durch diplomatische Formulierungen oder subtile Anspielungen. Kritik und Beanstandungen werden oft nur so vorsichtig angedeutet, dass Österreicher manchmal Schwierigkeiten haben, sie zu erkennen und zu verstehen und Vorgesetzte leicht den Eindruck bekommen, dass sie von ihren polnischen Mitarbeitern niemals kritisches Feedback erhalten. Die Zeitplanung verläuft in Polen oft parallel, die Gleichzeitigkeit verschiedener Vorgänge wird nur selten als Stress empfunden, sondern eher als Zeichen einer höheren Flexibilität und Spontanität. Auch ist eine strikte Planung oder Einteilung des Arbeitstages wie in Österreich eher unüblich.
Die polnische Gesellschaft ist noch immer sehr hierarchisch geprägt, was sich auch in Begrüßung und Ansprache widerspiegelt. Der Gesprächspartner wird nur mit seiner Funktion oder seinem Titel angesprochen, ohne - wie in Österreich üblich - seinen Nachnamen zu nennen, wobei Herr ("Pan") oder Frau ("Pani") davor gesetzt werden. Ist der Gesprächspartner Doktor oder Professor, muss dieser Titel unbedingt genannt werden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Menschen in Polen nach Harmonie streben, offene Konflikte vermeiden möchten, spontan, erfinderisch und kreativ sind. Sie sind offen für neue Konzepte und nehmen diese neugierig und pragmatisch auf. Wer sich von Anfang an auf diese Mentalität einstellt, wird mit seinen polnischen GesprächspartnerInnen erfolgreich auf einer Ebene kommunizieren und verhandeln können.
Gerhard Hain ist Managing Partner der Unternehmensberatung
ti communication Dr. Fischhof GmbH in Wien.
www.ticommunication.eu