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Oppositionelle Bürgerplattform überholt Regierungspartei. | Ergebnisse ließen auf sich warten. | Danzig/Warschau. "Und Tusk, wo ist er?" "Na, in Warschau." Die Funktionäre der Bürgerplattform (PO), die sich am Sonntag in der Danziger Bar "Stadt der Engel" versammelt haben, müssen ohne ihren Vorsitzenden auskommen. Denn Oppositionsführer Donald Tusk kandidierte bei der polnischen Parlamentswahl in Warschau, obwohl er aus Danzig stammt. Doch bevor er vom "glücklichsten Tag in seinem Leben" sprechen konnte, mussten er und seine Anhänger sich gedulden. Die Wahlruhe, die Zeit, in der weder Umfragen noch Hochrechnungen veröffentlicht werden können, zog sich in die Länge. Zunächst sollte sie bis 20 Uhr dauern, bis die letzten Wahllokale schließen. Doch eines der Lokale sperrte später auf - und musste länger offen halten. Und dass die ersten Ergebnisse von Nachwahlbefragungen erst gegen elf Uhr abends bekannt wurden, hatte damit zu tun, dass die Wahlzettel ausgingen.
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Mit einer Wahlbeteiligung von mehr als 55 Prozent hatten manche Wahlkomitees nämlich nicht gerechnet, fanden doch bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren gerade einmal etwas mehr als 42 Prozent der Wahlberechtigten den Weg zur Urne. Die Zettel mussten erst nachgeliefert werden.
So dankte Tusk nicht zuletzt für die Geduld seiner Sympathisanten, als kurz vor Mitternacht sein Sieg feststand. Seine Bürgerplattform erhielt rund 40 Prozent der Stimmen, fast 13 Prozentpunkte mehr als die Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Premier Jaroslaw Kaczynski. Drittstärkste Gruppierung wurde das neue Linksbündnis LiD (Die Linke und Demokraten) mit etwa 13 Prozent, gefolgt von der gemäßigten Bauernpartei PSL mit knapp 10 Prozent. Damit sind im künftigen Parlament nur vier Parteien vertreten; die ehemaligen PiS-Koalitionspartnerinnen, die radikale Samoobrona (Selbstverteidigung) des selbst ernannten Bauernführers Andrzej Lepper und die rechtsnationale Liga der Polnischen Familien scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde und können nicht noch einmal in den Sejm einziehen.
"Wir haben es nicht geschafft", kommentierte Premier Kaczynski - und gab die Schuld dafür einer breiten Front, die sich gegen seine Regierung gebildet hatte. Er kündigte an, seine Partei in eine "entschlossene und harte Opposition" zu führen. Indirekte Unterstützung dafür könnte er von seinem Zwillingsbruder Lech Kaczynski erhalten, der Polens Staatspräsident ist. Er kann ein Veto gegen Gesetzesvorschläge einlegen. Findet sich keine breite Mehrheit im Sejm, kann der Präsidenten-Einwand nicht so einfach überstimmt werden.
Allein regieren wird die PO voraussichtlich sowieso nicht können, weil sie wohl nicht mehr als die Hälfte der 460 Abgeordneten stellen wird. Eine Zusammenarbeit mit PiS erscheint allerdings unwahrscheinlich. Dass es für seine Partei harte Arbeit sein wird, an einem "besseren Polen, für das die Menschen gestimmt haben" zu bauen, ließ Donald Tusk nicht unerwähnt. Seine Rede am Wahlabend wollte er dennoch mit einem anderen Aspekt schließen: Nicht die Macht sei das Wichtigste, sondern die Liebe - zum Heimatland.
Im Sejm (Unterhaus) bekommt Tusks Wahlbündnis nach dem gegenwärtigen Stand der Auszählung 194 der 460 Abgeordnetenmandate. Die PiS des bisherigen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski würde 173 Abgeordnete stellen. Das Mitte-Links-Bündnis LiD hält bei 49 Mandaten, die gemäßigte Bauerpartei PSL bei 41.
Aufatmen in Europa